Westwood Studios: Aufstieg und Fall der C&C-Erfinder im großen Rückblick + Video

Ein paar ehemalige Westwood'ler gründeten auch neue Studios. Die Programmierer Joe Bostic, Michael Legg und Steve Tall blieben zum Beispiel in Las Vegas und riefen Petroglyph Games ins Leben. Ein Jahr später folgte auch Westwoods Haus- und Hof Komponist Frank Klepacki und schloss sich der Truppe an. Das Team hat sich seitdem auf Echtzeitstrategie fokussiert und lieferte mehrere gelungene Spiele wie Star Wars: Empire at War oder Grey Goo ab. Petroglyph hat auch heute noch seinen Sitz in Las Vegas und beherbergt nach wie vor zahlreiche Westwood-Veteranen.

Command & Conquer: Generals

Von der Zusammenlegung war aber nicht nur das Las-Vegas-Team betroffen, sondern auch die Schwesterfirma Westwood Pacific. Das Team im benachbarten Irvine wurde zunächst in EA Pacific umbenannt, denn es hatte noch ein wichtiges Projekt abzuliefern - Command & Conquer: Generals, das im Februar 2003 auf den Markt kam. Das Team hinter Alarmstufe Rot 2 hatte die letzten zwei Jahre bestens genutzt und Westwoods alte 3D-Engine gewaltig aufgemöbelt. Der neue Grafikmotor hieß nun "Sage" und ließ bei Release sämtliche Kinnladen runterklappen. Nie zuvor war ein Echtzeit-Strategiespiel so detailverliebt und actionreich geraten. Fahrzeuge legten sich bei voller Fahrt in die Kurven oder wurden von Explosionen durchgeschüttelt, es gab unzählige Partikel- und Zerstörungseffekte und selbst Dutzenden Einheiten gleichzeitig stemmte die Engine ohne Probleme.

Quelle: PC Games Command & Conquer Generals

Die Top-Technik war aber längst nicht die einzige Neuerung: Generals etablierte ein drittes Spieluniversum, das nichts mehr mit den Vorgängern zu tun hatte. Stattdessen gab's diesmal ein realistischeres Kriegsszenario, in dem die USA, Chinesen und die Terrororganisation GLA aufeinander losgingen. Eine richtige Story hatte man sich diesmal allerdings gespart und die typischen Videosequenzen fielen komplett flach.

Quelle: PC Games Command & Conquer Generals Dafür ging es beim Gameplay kräftig vorwärts, manches änderte sich sogar grundlegend. Alle drei Fraktionen setzten auf stark unterschiedliche Gebäude, Einheiten und Upgrades. Das Rohstoff-Ernten wurde auf ein absolutes Minimum zurückgefahren und beim Basisbau kamen nun Arbeitereinheiten zum Einsatz. Da mussten sich C&C-Fans erst mal gewaltig umstellen. Trotzdem konnte Generals große Erfolge feiern und auch die Wertungen waren gut. In Deutschland wurde das Spiel jedoch wieder zu einem Problem. Vor allem die thematische Nähe zum Irakkrieg rief damals die Jugendschützer auf den Plan. Das Originalspiel wurde indiziert und EA musste eine deutsche Fassung nachproduzieren, in der ein paar Inhalte abgeändert wurden. Erst 2013 hob die BPjM das Urteil wieder auf, sodass man C&C: Generals auch hierzulande wieder uncut spielen kann.

Aus Westwood wird EA LA

Nach dem Release von Generals wurde auch EA Pacific in das neue Gesamtstudio integriert. Unter der Flagge von EA Los Angeles stellten sich dann alle Teams intern neu auf. Ein Teil des Studios würde sich künftig vor allem um Shooter wie Medal of Honor kümmern. Die andere Gruppe, zu der die verbliebenen Westwood'ler zählten, sollte stattdessen neue Strategiespiele umsetzen. Als erstes begannen die Arbeiten an einer Erweiterung zu Command & Conquer: Generals, die schon sieben Monate nach dem Hauptspiel in den Händlerregalen stand: Das Add-on hörte auf den Namen Die Stunde Null und konnte genau wie sein Hauptspiel gute Kritiken einfahren.

Quelle: PC Games 2003 werden beide Westwood-Teams mit EA Los Angeles (ehemals Dreamworks Interactive) zu einem neuen Studio verschmolzen. Westwood gilt damit offiziell als aufgelöst.

Command & Conquer: Renegade 2 - Battlegrounds

Gleich danach ging es wieder in die Konzeptphase und man begann, sich die Zukunft von Command & Conquer auszumalen. Eines dieser Projekte war der Ego-Shooter Renegade 2: Battlegrounds, der bereits seine Vorproduktion abgeschlossen hatte. Das Spiel sollte deutlich ausgefeilter werden als der Vorgänger und sich noch mehr auf den Multiplayer konzentrieren. Aber auch eine Kampagne war geplant, die diesmal im Alarmstufe-Rot-Universum nach Yuris Rache spielen sollte. Die Entwickler hatten eine frühe Präsentationsversion zusammengebaut und viele coole Ideen für die Mehrspielerschlachten. Die Engine zeigte sich stark verbessert und man konnte auch schon ein bisschen was spielen. Doch nach einer Sichtung beschloss EA, das Projekt nicht weiter zu verfolgen und stellte Renegade 2 ersatzlos ein. Manche der Entwickler vermuteten später, EA habe befürchtet, das Spiel könnte Battlefield 1942 in die Quere kommen, das im Jahr davor erschienen war.

Der Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde

Auch Command & Conquer 3 wurde zu dieser Zeit wieder diskutiert. Erste Konzepte für einen dritten Tiberium-Teil hatte Westwood bereits nach der Fertigstellung von Tiberian Sun begonnen, doch danach wurde das Projekt immer wieder mal angeschoben, abgeändert, auf Eis gelegt und wieder ausgegraben. Zwischenzeitlich sollte es zum Beispiel den Titel Tiberian Incursion tragen, eine 3D-Engine verwenden und neben einer dritten Cabal-Fraktion auch erstmals die Scrin-Aliens einführen. (Hier findet ihr mehr geleakte Infos zu dem Spiel.) Doch auch daraus wurde erst mal nichts.

Quelle: PC Games Der Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde Stattdessen beschloss EA, die C&C-Serie für eine Weile ruhen zu lassen und die Entwickler lieber an die wertvolle Herr-der-Ringe-Lizenz zu setzen. Das Ergebnis war Schlacht um Mittelerde, das 2004 für den PC erschien. Das Spiel fing die Atmosphäre der Filme hervorragend ein, spielte sich rund und kassierte gute Wertungen. Zwei Jahre später folgte dann ein stark verbesserter Nachfolger, der deutlich zeigte, dass die Entwickler nichts von ihrem Handwerk verlernt hatten. Schlacht um Mittelerde 2 wurde auch für Xbox 360 portiert - für das Strategieteam war es also die erste Konsolenumsetzung seit Dune 2000. Anders als der erste Teil bekam Schlacht um Mittelerlde auch wieder eine Erweiterung spendiert. Aufstieg des Hexenkönigs kam gut bei den Fans an, allerdings wurde die Erweiterung diesmal nicht von EA LA selbst, sondern von BreakAway Games entwickelt, ein unabhängiges Studio in Baltimore.

Command & Conquer 3: Tiberium Wars

Mittelerde war schön und gut, doch die Fans sehnten sich endlich wieder nach einem neuen Command & Conquer. 2006 wurde ihre Geduld dann mit der Ankündigung von Command & Conquer 3: Tiberium Wars belohnt. Das Spiel wurde im März 2007 fertiggestellt und sehr gut von Presse und Fans aufgenommen. Der dritte Tiberiumkrieg wurde wie früher in zwei Kampagnen erzählt und verpasste GDI und NOD eine ordentliche Frischzellenkur. Spielerisch war Tiberium Wars eine Art Best-of aus allen Vorgängern. Basisbau und die Jagd nach Ressourcenfeldern wurden wieder wichtiger, beides Features, die in Generals zu kurz gekommen waren. Es gab neutrale Gebäude wie in Alarmstufe Rot 2 und auch das Veteranensystem kehrte zurück. Nach dem Vorbild von Generals gab es aber auch deutlich weniger Mikromanagement und das Balancing war noch stärker auf dem Schere-Stein-Papier-Prinzip aufgebaut. Damit gelang den Entwicklern ein guter Spagat zwischen zugänglicher Taktik und Action.

Quelle: PC Games Command & Conquer 3: Tiberium Wars

Zur Freude vieler Fans brachte Tiberium Wars auch wieder die typischen Videosequenzen zurück. Diesmal ging man sogar noch weiter und heuerte gleich eine halbe Fußballmannschaft aus Kino- und Serien-Stars an, darunter Michael Ironside (Starship Troopers) und Billy Dee Williams (Star Wars). Auch Joseph D. Kucan kehrte wieder in seiner Paraderolle als Sektenführer Kane zurück. Nur den Regieposten trat er diesmal an andere ab.

Quelle: PC Games Command & Conquer 3: Tiberium Wars

Eine der größten Neuerungen von Tiberium Wars stieß aber auf geteiltes Feedback: die Scrin, eine dritte Fraktion mit eigenen Truppen, Gebäuden und Technologien. Die Aliens bekamen eine eigene Mini-Kampagne spendiert und waren auch im Multiplayer voll spielbar. Ihr Design fiel jedoch ziemlich einfallslos aus und auch beim Balancing hatten die Scrin ihre Problemzonen. Trotzdem war Tiberium Wars unterm Strich ein richtig gelungenes Comeback und auch EA setzte große Hoffnungen in den Titel. Insbesondere in den Multiplayer, mit dem man endlich den Durchbruch im E-Sport schaffen wollte. Vergeblich, wie sich später rausstellen sollte.

Command & Conquer 3: Kanes Rache

Wie alle C&Cs bekam auch Tiberium Wars nach einem Jahr seine typische Erweiterung: In Kanes Rache erlebten wir eine Vorgeschichte zu Tiberium Wars, mit neuen Missionen und Einheiten und so weiter. Ein nettes Paket, doch das Highlight war der neue Conquest-Modus, der das Spiel um eine rundenbasierte Spielebene im Risiko-Stil erweiterte. Weil dem Strategie-Team damals enge Zeitpläne gesetzt wurden, ließ man auch diese Erweiterung von BreakAway umsetzen, natürlich in Rücksprache mit EA LA. So schaffte sich EA LA wichtige Freiräume, die jetzt dringend gebraucht wurden - denn gerade mal eineinhalb Jahre nach Tiberium Wars sollte schon wieder das nächste große Command & Conquer vom Stapel rollen. Der Titel war schon bekannt: Alarmstufe Rot 3.

Command & Conquer: Alarmstufe Rot 3

Quelle: PC Games Command & Conquer: Alarmstufe Rot 3 Das dritte Alarmstufe Rot erschien im Oktober 2008, also nur ein halbes Jahr nach Kanes Rache. Trotz der kurzen Entwicklungszeit zeigte sich das Spiel gut in Form - und es war nochmal eine ganze Spur alberner als der Vorgänger. Die Zusammenfassung liest sich etwa so: Nach ihrer Niederlage beschließt die sowjetische Führung, per Zeitmaschine in die Vergangenheit zu reisen, um Albert Einstein zu ... zerbröseln. Das hat zur Folge, dass die Atombombe nie erfunden wird, wodurch viele Jahre später das japanische "Reich der Aufgehenden Sonne" auf den Plan tritt und prompt mit totaler Vernichtung droht. Trash in Reinkultur.

Quelle: PC Games Command & Conquer: Alarmstufe Rot 3

Das Spiel gab sich alle Mühe, um sich von den Vorgängern abzuheben. Jede der drei Fraktionen hatte zum Beispiel eigenständige Baumethoden. Und weil der Kampf zur See diesmal in den Mittelpunkt rückte, ließen sich die meisten Gebäude auch auf dem Wasser platzieren. Außerdem hatten alle Einheiten nun eine Besonderheit, wie eine zweite Verwandlungsform oder einer Spezialfähigkeit. Das war zwar cool, allerdings enthielt Alarmstufe Rot 3 dadurch auch viel mehr Mikromanagement als jedes andere C&C. Und auch das knallbunte Design wurde nur mit gemischten Gefühlen aufgenommen.