Westwood Studios: Aufstieg und Fall der C&C-Erfinder im großen Rückblick + Video

Virgin Interactive kauft Westwood

Das Spiel war als Auftakt einer neuen Abenteuerserie konzipiert, die Fables & Fiends heißen sollte. Keine schlechte Idee, schließlich waren Adventures von Lucas Arts und Sierra in den frühen 90er Jahren schwer angesagt. Westwood hatte bereits viele neue Grafiker und Künstler eingestellt, die Kyrandia einen edlen Look verpassen sollten. Das Team war mit seinen Ansprüchen gewachsen - und zog so die Blicke von großen Firmen wie Sierra und Virgin Interactive auf sich. Sierra schlug vor, Westwood Associates kurzerhand zu übernehmen - doch als die Entwickler erkannten, dass sie damit ihre kreative Freiheit verlieren würden, lehnte Westwood dankend ab.

Stattdessen entschied man sich für Virgin, denn die versprachen, sich weitestgehend aus dem Tagesgeschäft rauszuhalten und die künstlerische Freiheit weiterhin Westwood zu überlassen. Castle und Sperry schlugen ein und damit hatten ihre Geldsorgen ein Ende: Westwood Associates wurde ein Tochterunternehmen von Virgin Interactive und benannte sich in Westwood Studios um. Das Team erhielt kräftig Zuwachs und bekam ein neues, modernes Bürogebäude zugeteilt. Damit war Westwood besser aufgestellt denn je und konnte nun endlich aus allen Rohren feuern.

The Legend of Kyrandia

Quelle: PC Games Westwood präsentiert sich nun offiziell als Teil von Virgin Games. Den Anfang machte The Legend of Kyrandia, das noch im Jahr 1992 erschien. Das Adventure präsentierte sich in wunderschöner VGA-Grafik, mit detaillierten Animationen und liebevoll handgepixelten Sequenzen. Spätestens jetzt war allen klar: Die Grafiker von Westwood, die können was. Das Spiel erzählte die Geschichte von dem jungen Brandon, der versucht, den bösen Magier Malcom zu stoppen und seinen versteinerten Großvater wiederzubeleben. Ein simpel gestrickter, aber zumindest humorvoller Plot, in dem Dialoge und klassische Puzzles aber eine deutlich geringere Rolle einnahmen als beispielsweise in Monkey Island. Stattdessen setzte Westwood auf ungewöhnliche Mechaniken, zum Beispiel konnte man Gegenstände einfach überall fallen lassen und Aktionsverben wie bei Lucas Arts gab's auch nicht. Das spielte sich zwar gut, doch einige Rätsel sorgten auch für Frust, zumal Brandon in manchen Situationen sterben konnte. Ein Meisterwerk war's also bei Weitem nicht, doch trotzdem wurde das Spiel ein Erfolg und bekam in den nächsten Jahren noch zwei Fortsetzungen spendiert, die beim Rätseldesign deutlich zulegen konnten. Insgesamt hat sich die Adventure-Trilogie mehr als ordentlich verkauft und wurde für Westwood und Virgin zum Erfolg.

Quelle: PC Games The Legend of Kyrandia

Fun Fact: Zwei Jahre nach seiner Erstveröffentlichung wurde das erste Kyrandia nochmal als CD-ROM-Version neu aufgelegt, diesmal mit englischer Sprachausgabe. Der Held Brandon wird dabei von keinem Geringeren als Joseph D. Kucan gesprochen - also dem gleichen Glatzkopf, der später mal den charismatischen Kane in Command & Conquer verkörpern wird.

Dune 2: The Building of A Dynasty

Noch im gleichen Jahr lieferte Westwood aber endlich das Spiel ab, das die Firma für immer prägen sollte. Dune 2: Battle for Arrakis, oder wie es im US-Original genannt wurde: Dune 2 - The Building of A Dynasty. Die "Zwei" im Titel musste Westwood eher unfreiwillig einbauen: Anfang der 90er hatte sich Virgin Interactive die Markenrechte an der Dune-Romanvorlage gesichert. Es mussten nun dringend Spiele rund um den Wüstenplaneten her! Darum hatte man bereits ein Dune-Projekt bei dem französischen Studio Cryo Interactive in Auftrag gegeben, ein Mix aus Adventure und Strategiespiel. (Hier könnt ihr euch ein paar Screenshots ansehen.) Allerdings machte das Spiel eine turbulente Entwicklung durch und stand zeitweise sogar komplett auf der Kippe. Virgin ging deshalb schon früh auf Westwood zu und man begann, sich noch ein zweites Projekt auszudenken. Cryo konnte sein Spiel schließlich noch fertigstellen, was Westwood jedoch erst kurz vor Release erfuhr. Für größere Änderungen war es längst zu spät, darum beschloss man zähneknirschend, das Spiel einfach Dune 2 zu nennen. Für die Käufer eine verwirrende Lage, schließlich hatten die beiden Titel herzlich wenig miteinander zu tun. Denn Dune 2 war kein Adventure, sondern ein lupenreines Echtzeit-Strategiespiel! Es war streng genommen nicht das erste, schließlich gab es bereits andere Spiele wie den Mega-Drive-Klassiker "Herzog Zwei", der als einer der Urväter des Genres gilt. Auch von anderen Spielen ließ man sich inspirieren, wie Military Madness und Rescue Raiders für den Apple 2. Doch Westwood strickte aus all diesen Ideen etwas völlig Neues - und definierte den Begriff "Echtzeit-Strategie" damit für immer neu.

Quelle: PC Games Dune 2

Mit einem fesselnden Spielprinzip und einer Extraportion Atmosphäre erschien Dune 2 im Jahr 1992, nur wenige Monate nach dem ersten Teil. Schnell wurde die Wüstenschlacht zum beliebten Schulhofgespräch, denn wo andere Strategiespiele oft kompliziert und langatmig waren, spielte sich Dune 2 schnell, actionreich und vor allem: in Echtzeit. Es konzentrierte sich ganz auf den militärischen Aspekt, kombiniert mit spaßigem Basisbau und der Jagd auf wertvolle Ressourcen. Alles, was dem Erlebnis im Weg stand, flog raus.

Quelle: PC Games Dune 2 Trotz Buch- und Filmvorlage wurde die Lizenz ziemlich großzügig ausgelegt. So hatte man die Wahl zwischen drei spielbaren Häusern - den Atreides, Harkonnen und Ordos. Letztere wurden allerdings nie in Frank Herberts Romanen erwähnt und tauchten nur in der Dune Encyclopedia auf. Doch das störte bei Release kaum jemanden, denn die Story war ohnehin völlig nebensächlich. Im Grunde drehte sich alles nur um das sagenumwobene Spice, die einzige Ressource im Spiel, die man mit Erntemaschinen einsammeln musste. Die Dinger waren zwar quälend langsam und wurden viel zu oft von Sandwürmern weggefuttert, stellten aber eure einzige Einnahmequelle dar. Mit dem Geld wurden neue Gebäude wie Kasernen, Fabriken und Raumhäfen finanziert, in denen man dann Soldaten, Wüstenfahrzeuge, Panzer, Lufteinheiten und vieles mehr herstellen konnte. Mit euren Armeen durftet ihr dann nach Herzenslust die Feindbasis plattmachen - und das war's im Wesentlichen, da eigentlich alle Einsätze im Grunde gleich abliefen. Allerdings bekam man in fast jedem Einsatz etwas Neues hinzu: Gab es in den ersten Missionen nur wenige Gebäude wie Windfallen oder Raffinerien, durfte man später auch Raketentürme, Reparaturanlagen oder Hightech-Fabriken bauen. Damit hatte man dann Zugriff auf neue Einheiten wie Ornithopter, Quads, Schallpanzer, Carryalls und vieles mehr. Und das motivierte bis zum Schluss.

Quelle: PC Games Dune 2

Die Steuerung wirkt aus heutiger Sicht wahnsinnig umständlich, zum Beispiel kann man nur eine Einheit auf einmal selektieren, denn Gruppen gab es damals einfach noch nicht, ganz zu schweigen von einem Attack Move. Für 1992 war das Gameplay aber geschliffen und modern, und das galt auch für die Präsentation: Wo sich andere Studios noch mit Standbildern zufriedengaben, zauberte Westwood bereits ein wunderschön gepixeltes Intro-Filmchen auf den Monitor. Zusammen mit der flotten Midi-Musikuntermalung kam da richtig Atmosphäre auf. Einen Mehrspielermodus gab es noch nicht, war zu der Zeit aber auch nicht üblich. Selbst die unterirdische KI oder das einfallslose Misionsdesign konnten dem Erfolg nichts anhaben: Dune 2 mag zwar nicht das erste RTS gewesen sein, doch bei Release war es das mit Abstand bedeutendste. Noch zwei Jahre bevor Blizzard mit Warcraft um die Ecke kam, hatte Westwood den Grundstein für ein ganzes Genre gelegt, und das nicht nur auf dem PC! Dune 2 wurde nämlich auch für Amiga und Sega Mega Drive umgesetzt, wobei die Konsolenfassung sogar ein verbessertes Interface und eine neue Grafik verpasst bekam - ganz schön fortschrittlich für die damalige Zeit!

Lands of Lore: The Throne of Chaos

Quelle: PC Games Lands of Lore: The Throne of Chaos Ein Jahr nach Dune 2 kehrte Westwood wieder zu den Rollenspielen zurück. Doch anstatt weiter die D&D-Lizenz zu beackern, beschloss man diesmal, eine brandneue Marke auf die Beine zu stellen. So war Lands of Lore: The Throne of Chaos geboren, ein weiteres Rollenspiel im Fahrwasser von Dungeon Master, das aber auch ganz eigene Akzente setzen konnte. So gab es zum Beispiel keine freie Charaktererstellung mehr, sondern man suchte sich einfach eine von mehreren Heldenfiguren aus. Umständliche Regeln und Charakterbögen voller Zahlen fielen weg, man konnte einfach drauf los spielen. Die Steuerung war elegant und simpel, eine Automap sorgte für Übersicht und auch die Präsentation war sehr gelungen. Die Grafiker hatten diesmal auch an sanftes Scrolling gedacht, ein dickes Plus für die Atmosphäre, mit dem man aber auch ein bisschen über die veraltete Engine hinwegtrösten wollte. Denn genau wie in Eye of the Beholder war die Spielwelt immer noch streng in Kästchen aufgebaut und man konnte man sich wieder nur in 90-Grad-Schritten umblicken. Echte 3D-Rollenspiele wie Betrayal at Krondor oder Ultima Underworld waren da schon deutlich weiter. Lands of Lore kassierte trotzdem gute Wertungen und wurde 1993 zu einem weiteren Erfolg für Westwood und Virgin, die nun auch in der Fachpresse viel Beachtung fanden.

Quelle: PC Games Lands of Lore: The Throne of Chaos

Auch Lands of Lore wurde ein Jahr später nochmal als CD-ROM-Version mit englischer Vertonung rausgebracht, für die man sich nicht lumpen ließ: Als Sprecher konnte man Star-Trek-Ikone Patrick Stewart gewinnen, der natürlich auch großzügig auf der Verpackung beworben wurde, um die Verkäufe anzukurbeln.

Westwood macht Kasse

In den folgenden zwei Jahren brachte Westwood nicht nur die beiden Fortsetzungen von Legend of Kyrandia auf den Markt, sondern kehrte auch nochmal ins Konsolengeschäft zurück. 1994 wurde Young Merlin für das Super NES veröffentlicht, ein ungewöhnliches Action-Abenteuer mit leichten Rollenspiel- und Adventure-Elementen. Das Spiel war liebenswert und kam auch ganz gut bei den Kritikern an, blieb letztendlich aber bedeutungslos.

Der König der Löwen

Sehr viel wichtiger war da schon The Lion King, das Westwood noch im gleichen Jahr in den Handel brachte. Das Spiel entstand 1994 als Auftragsarbeit für Disney und erschien zunächst für Super Nintendo und Mega Drive. Ein ungewöhnlicher Titel für Westwood, die mit Jump & Runs bislang kaum Erfahrungen hatten. Eine enge Deadline ließ den Entwicklern wenig mehr als ein halbes Jahres Zeit, und zu allem Übel war der Film noch gar nicht fertig, was die Arbeiten enorm erschwerte. Das 18-köpfige Team schob lange Überstunden, um das Jump'n'Run gerade noch rechtzeitig abzuliefern. Bei Release sorgte der hohe Schwierigkeitsgrad zwar für Kritik, doch die wunderschön animierte Grafik (an der auch Disney kräftig mitwirkte) und der stimmungsvolle Sound trösteten die Käufer darüber hinweg und machten The Lion King zum Millionenseller. Laut Louis Castle war es sogar eines der erfolgreichsten Spiele in Westwoods gesamter Firmengeschichte.

Quelle: PC Games The Lion King

Monopoly

Quelle: Mobygames Monopoly Im September 1995 wagte das Team dann gleich noch einen Ausflug in unbekannte Gewässer und setzte für Hasbro den Brettspielklassiker Monopoly um. Das bewährte Spielprinzip wurde mit einer simplen Steuerung, einer cleveren KI und hübschen 3D-Animationen aufgefrischt. Außerdem hatte man an einen Mehrspielermodus gedacht, der sogar Partien über das Internet erlaubte, was damals noch keine Selbstverständlichkeit war. Monopoly war sicher kein kreativer Meilenstein, aber für Westwood und Hasbro entpuppte es sich als überraschend starker Release, der wieder viel Geld in die Kassen spülte.

Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt

Fast gleichzeitig mit Monopoly hatte Westwood aber noch ein anderes Spiel fertiggestellt. Es erschien am 26. September 1995 für MS-DOS und sollte die Zukunft der Firma für immer verändern. Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt. Das Spiel war als ein geistiger Nachfolger von Dune 2 geplant, übertraf aber alle Erwartungen. Binnen kürzester Zeit war dieses "C&C" in aller Munde, es hagelte Top-Wertungen - und bis zum Jahresende hatte Virgin schon eine Million Einheiten verkauft, selbst nach heutigen Maßstäben eine fantastische Zahl.

Quelle: PC Games Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt

Ursprünglich sollte Command & Conquer ein Sword&Sorcery-Spiel werden, mit Rittern auf Pferden, Elfen, Goblins und so weiter. Nach einer Weile warf man das Konzept aber über Bord und dachte sich ein brandneues Setting aus. Brett Sperry entwarf ein Kriegsszenario in der nahen Zukunft, in dem nicht mehr einzelne Nationen gegeneinander kämpfen, sondern zwei globale Supermächte: Das westliche Militärbündnis GDI gegen die terroristische Bruderschaft von Nod.