Westwood Studios: Aufstieg und Fall der C&C-Erfinder im großen Rückblick + Video

Spielerisch ging Blade Runner neue Wege, denn der Mordfall verlief mehr oder weniger nichtlinear und manche NPCs konnten sogar in den Umgebungen rumlatschen. Und weil sich einige Charaktere im Spielverlauf zufällig als Replikanten entpuppen konnten, bezeichnete Westwood das Spiel auch gerne als "Echtzeit-Adventure". Klassische Rätsel wie bei Lucas Arts suchte man zwar vergebens, doch dafür gab es coole Fotoscanner und kleine Psychotests für verdächtige Charaktere. Alles in allem ein ungewöhnliches, aber auch sehr ambitioniertes Adventure. Und ein teures noch dazu: Blade Runner entpuppte sich zwar als großer Erfolg, doch wegen der hohen Entwicklungskosten konnte man sich nicht dazu durchringen, einen Nachfolger zu produzieren. Und damit war Blade Runner das letzte große Point-and-Click-Adventure aus dem Hause Westwood. 2002 veröffentlichte Nightdive Studios eine Neuauflage von Blade Runner, die aber auf ganzer Linie enttäuschte - hier könnt ihr euch nochmal unseren Test durchlesen.

Command & Conquer: Sole Survivor

Ende 1997 wagte man dann nochmal ein interessantes Experiment und veröffentlichte Command & Conquer: Sole Survivor. Das Ding war ein schräger Mehrspieler-Spin-Off, in dem ihr mit einer einzigen Einheit über C&C-typische Karten flitzen, Upgrade-Kisten aufsammeln und vor allem andere Spieler bekämpfen musstet. Das spielte sich im Grunde wie Deathmatch aus der Vogelperspektive. Eine Story oder einen richtigen Singleplayer gab es nicht, offline konnte man lediglich gegen Computer-Gegner üben. Ein gewagtes Konzept, das selbst hartgesottene C&C-Fans kalt ließ: Sole Survivor konnte nie richtig Fuß fassen und ein paar Jahre später wurden die Server endgültig runtergefahren. Was übrigens auch der Grund ist, weshalb es danach nie mehr in C&C-Sammlungen aufgetaucht ist.

Westwood unter Electronic Arts: 1998 bis 2002

1998 wurde für Westwood zum (ersten) Schicksalsjahr. Virgin Interactive geriet in finanzielle Schwierigkeiten und sah sich gezwungen, seine nordamerikanische Games-Sparte abzustoßen. Und dann passierte es: Im August 1998 erwarb Electronic Arts die Westwood Studios und alle seine Markenrechte für 122,5 Millionen US-Dollar. Die Firmengründer Brett Sperry und Louis Castle erhielten außerdem Fünfjahresverträge mit EA und blieben so noch eine ganze Weile am Steuer.

Quelle: PC Games 1998: EA kauft Westwood Studios und Burst Studios. Burst wird daraufhin in Westwood Pacific umbenannt. Doch die Übernahme zog noch weitere Kreise. EA kaufte nämlich nicht nur Westwood, sondern hatte gleichzeitig auch noch die Burst Studios geschluckt. Das war ursprünglich ein eigenes Entwicklerteam von Virgin, das seinen Sitz in Irvine, Kalifornien hatte - also ganz in der Nähe von Los Angeles. Das Studio war vor allem mit dem wunderbaren Point-and-Click-Adventure Toonstruck in Erscheinung getreten, in dem Hollywood-Star Christopher Lloyd die Hauptrolle spielte. Doch damit war es nun vorbei: Nach der Übernahme durch EA wurde Burst Studios in Westwood Pacific umbenannt. Damit hatte Westwood nun offiziell zwei Teams an unterschiedlichen Standorten.

Dune 2000

Kaum war die Übernahme über die Bühne gegangen, da veröffentlichten Westwood und Intelligent Games auch schon Dune 2000 - ein vollständiges Remake von Dune 2, das im September 1998 erschien. Inhaltlich blieb das Remake extrem nahe an der Vorlage: Es ging wieder darum, mit Atreides, Ordos und Harkonnen möglichst viel Spice zu ernten, gegnerische Stützpunkte einzuäschern und Arrakis zu erobern. Auch die Einheiten und Gebäude wurden größtenteils aus dem Klassiker übernommen. Technisch und spielerisch stellte Dune 2000 aber eine Weiterentwicklung von Alarmstufe Rot dar, weshalb es auch oft das "C&C in der Wüste" genannt wurde. Manchen Strategie-Fans war das schon zu unzeitgemäß, schließlich hatte sich in dem Genre bereits eine ganze Menge getan. Andere dagegen freuten sich über das vertraute Spielgefühl und die Treue zu Westwoods kultigem Original. Gerade beim Balancing zeigten sich in den späteren Einsätzen jedoch etliche Mängel und auch das Missionsdesign war mit seinen Plätte-die-Basis-Aufträgen einfallslos.

Quelle: PC Games Dune 2000 (Gruntmods Edition)

Grafisch war die Wüstenschlacht zwar schon etwas angestaubt, doch dafür konnten die aufwendigen Videos punkten, die zwischen den Missionen eingespielt wurden. Die Filmchen erzählten eine neue Story, alle Darsteller trugen nun aufwendige Kostüme und mit John-Rhys Davies hatte man sogar einen prominenten Darsteller an Bord. Für einen Kassenschlager reichte es trotzdem nicht und auch die Wertungen fielen eher durchschnittlich aus. Übrigens nicht nur auf dem PC, denn ein Jahr später erschien Dune 2000 auch mit brandneuer 3D-Grafik auf der Sony Playstation. Die Umsetzung war solide, hatte aber auch mit einem schlechten Speichersystem zu kämpfen. Dune 2000 sollte für lange Zeit das letzte RTS von Westwood bleiben, das für eine Konsole erschien.

Quelle: PC Games Dune 2000 So spielt man Dune 2000 heute: Die meisten Westwood-Spiele kann man immer noch problemlos auf Steam, Origin oder GOG kaufen - doch leider gilt das nicht für Westwoods Dune-Serie, die ist komplett vom Markt verschwunden. EA hat schlichtweg nicht mehr die Lizenz an Herberts Werken und darf die Klassiker deshalb nicht mehr anbieten. Darum tauchen die Spiele heute auf zig verschiedenen Abandonware-Seiten auf, wo man sich sie schon seit vielen Jahren herunterladen kann. Streng genommen eine rechtliche Grauzone, allerdings sind bislang weder EA noch andere Parteien gegen die Verbreitung der Spiele vorgegangen. Mittlerweile konnten die Fans auch Verbesserungen vornehmen und eigene Fassungen erstellen, die fast schon als Remaster durchgehen. Von Dune 2000 gibt's zum Beispiel die inoffizielle "Gruntmods-Edition". Diese Fassung ist frei erhältlich und hat zig Verbesserungen im Gepäck, darunter zum Beispiel höhere Auflösung, modernen Multiplayer-Support und eine freie Missionsauswahl. Zusätzlich könnt ihr auch den beliebten openRA-Client verwenden, der viele Verbesserungen enthält und ebenfalls auf die Daten der Gruntmods-Edition (wie zum Beispiel Videos) zugreifen kann.

Lands of Lore 3

Quelle: PC Games Nach der Übernahme durch EA präsentierte sich Westwood ein weiteres Mal mit neuem Logo. 1999 sollte eigentlich ein großes Jahr für Westwood werden, doch es begann mit einer glatten Bauchlandung: Ohne viel Aufsehen wurde Lands of Lore 3 im März für den PC veröffentlicht - und sorgte bei Release für breites Schulterzucken. Vor allem die altmodische Grafik lockte niemandem hinter dem Ofen hervor: Im gleichen Jahr, in dem wir Grafik-Monster wie Quake 3, Outcast, Freespace 2, Homeworld oder Ultima 9 spielten, wirkte Lands of Lore 3 hoffnungslos veraltet. Die Engine unterstützte nun zwar von Haus aus moderne 3D-Beschleuniger, doch die pixeligen Voxel-Figuren und detailarmen Umgebungen waren so sexy wie Raufasertapete. Dazu gab's ungelenke Action und langweiliges Leveldesign. Auch die Story wurde im Spielverlauf immer absurder (kein Witz: im späteren Spielverlauf besuchte man sogar einen Tempel von Nod!) und die Filmsequenzen verloren ohne echte Schauspieler an Flair. Nette Ideen wie zum Beispiel die Möglichkeit, sich früh einer Gilde anzuschließen, oder das solide Interface konnten den Titel nicht mehr retten: Lands of Lore 3 wurde ein Flop und erntete bestenfalls durchschnittliche Wertungen. Ein unrühmliches Ende für Westwoods Rollenspiel-Serie, die EA danach endgültig zu den Akten legte.

Quelle: PC Games Lands of Lore 3

Command & Conquer: Tiberian Sun

Im gleichen Jahr hatte Westwood noch ein anderes Spiel abzuliefern, auf dem längst alle Hoffnungen ruhten: Command & Conquer: Tiberian Sun. Die Fortsetzung wurde mit Hochspannung erwartet, Westwood hatte sie schon im Abspann des ersten Teils angekündigt. Doch im Laufe der Entwicklung stieß das Projekt immer wieder auf Probleme, Westwood musste den Release mehrmals verschieben. Der Vorfreude der Fans tat das keinen Abbruch, im Gegenteil: Der Hype um C&C hatte zu dieser Zeit einen neuen Höhepunkt erreicht und Echtzeit-Strategie war auf dem PC schwer angesagt - auch dank Spielen wie Starcraft oder Age of Empires, die das Genre kräftig vorangebracht hatten.

Im Vorfeld hatte Westwood eine ganze Menge versprochen, zum Beispiel eine brandneue Engine mit allerlei Finessen, dynamische Schlachtfelder und eine ausgefeilte KI. Doch als das Spiel erschien, machte sich auch Ernüchterung breit. Grafisch war das Ergebnis längst nicht so schick wie auf früheren Promo-Screenshots, gerade die Explosionen und Lichteffekte enttäuschten. Auch das Gebäudedesign wirkte etwas lieblos und die mit Voxeln berechneten Einheiten gingen in manchen Levels regelrecht unter. Bugs und Balancing-Schwächen (diese elende Nod-Artillerie!) zeigten außerdem, dass das Spiel etwas zu früh veröffentlicht wurde.

Quelle: PC Games Command & Conquer: Tiberian Sun

Ein schlechtes Spiel war Tiberian Sun deshalb noch lange nicht, gerade für Fans hatte es eine ganze Menge zu bieten. Der Kampf zwischen Nod und GDI geriet diesmal noch futuristischer, so kamen nun beispielsweise Mechs, Schwebepanzer, unterirdische Transporter und Energiezäune zum Einsatz. Neue Spielmechaniken wie Tunnels, ein Veteranensystem, Höhenstufen und vieles mehr ermöglichten zig neue Taktiken. Die Kampagne bot außerdem deutlich mehr Abwechslung als früher und enthielt nun auch Nebenmissionen, die sich auf andere Einsätze auswirken konnten. Westwood hatte die C&C-Formel also kräftig weiterentwickelt - nur wirkte das Ganze im Jahr 1999 eben schon ein wenig unspektakulär. Deutsche Spieler hatten außerdem wieder mal das Nachsehen: Das Spiel durfte hierzulande nur zensiert erscheinen, Schreie und Blut flogen raus, außerdem wurden einige Zwischensequenzen entschärft. Und als Sahnehäubchen gab's noch eine wirklich furchtbare Sprachausgabe.

Die deutsche Fassung war auch deshalb ärgerlich, weil Westwood diesmal so großen Wert auf die Handlung gelegt hatte. Die Sci-Fi-Story rund um einen wiederauferstandenen Kane wurde in aufwendig produzierten Videos erzählt, in denen zum ersten Mal auch Sets und Außendrehs zum Einsatz kamen. Hollywood-Stars wie Michael Biehn und James Earl-Jones gaben sich die Ehre und die Präsentation war von vorn bis hinten durchgestylt. Für Westwood hat sich die Mühe immerhin ausgezahlt: Tiberian Sun konnte die hohen Erwartungen zwar nie ganz erfüllen, doch die Verkaufszahlen waren ausgezeichnet.

Quelle: Westwood Studios Dreharbeiten zu Command & Conquer: Tiberian Sun

Genau wie die beiden Vorgänger ist Tiberian Sun mittlerweile als Freeware erhältlich, ihr könnt euch das Spiel also legal kostenlos runterladen, hier sogar in einer lauffähigen Version für aktuelle Systeme. Nur für PC wohlgemerkt, denn Tiberian Sun war das erste Strategiespiel aus dem Hause Westwood, das es nie auf eine Konsole geschafft hat. Ein Jahr nach dem Hauptspiel folgte aber natürlich eine Erweiterung. Tiberian Sun: Feuersturm war das erste Add-on in der C&C-Geschichte, das die Geschichte des Hauptspiels weitererzählt, damit zählt es bis heute zum offiziellen Kanon. Feuersturm lieferte zwei neue Kampagnen, frische Gebäude und Einheiten und ein überarbeitetes Balancing - alles in allem also ein gelungenes Paket, das aber nur noch wenig Aufmerksamkeit bekam. Denn nur einen Monat nach Tiberian Sun hatte Ensemble Studios auch sein Meisterwerk Age of Empires 2 veröffentlicht und trieb die Konkurrenz kräftig vor sich her.

Nox

Bei Westwood Pacific (den ehemaligen Burst Studios) hatte man in der Zeit ein brandneues Action-Rollenspiel die Beine gestellt: Nox erschien Anfang 2000 und konnte schon im Vorfeld gute Berichterstattung einfahren. Aber es hatte ein gewaltiges Problem - und das hieß Diablo 2. Blizzards Kult-Klopper erschien zwar erst ein paar Monate später, war zu dieser Zeit aber schon schwer angesagt. Und gegen den Diablo-Hype kam auch das Marketing von EA nicht an. Was schade ist, denn Nox war ein ziemlich durchdachtes Action-RPG, das ein reichhaltiges Magie- und Kampfsystem, motivierende Beutejagd und schnelles, zugängliches Gameplay mitbrachte. Den meisten Spielern blieb es aber wohl für sein markantes Sichtliniensystem in Erinnerung. Außerdem gab es mehrere kompetitive Multiplayermodi wie Deathmatch oder Capture the Flag, was für das Genre sehr ungewöhnlich war. Später kam auch noch eine kostenlose Erweiterung namens Nox Quest hinzu, mit der man das Spiel im Koop-Modus erleben konnte. Genutzt hat's leider wenig, denn Nox geriet schnell wieder in Vergessenheit.

Quelle: PC Games Nox

Command & Conquer: Alarmstufe Rot 2

Aber Westwood Pacific hatte für das Jahr 2000 noch ein echtes Ass im Ärmel: Command & Conquer: Alarmstufe Rot 2. Die Arbeiten an dem Projekt hatten ursprünglich bei Westwood in Las Vegas begonnen, noch vor der Fertigstellung von Tiberian Sun. Weil man sich dort aber lieber auf andere Projekte konzentrieren wollte, beschloss man, das Strategiegespiel einfach an das neue Schwesterstudio in Irvine abzutreten. So konnte Westwood Pacific nur ein Jahr nach Tiberian Sun schon das nächste große Command & Conquer präsentieren. Und das hatte es in sich: Alarmstufe Rot 2 war der letzte Serienteil in 2D und nutzte die Engine von Tiberian Sun, machte aber vieles besser!