Humankind: Mächtige Civ-Konkurrenz im Test
Im Test bestätigt Humankind unsere Erwartungen: Irgendwo zwischen Endless Legend und Civilization 6 erleben wir motivierende, angenehm entschlackte Globalstrategie, die gute Ideen und viel Bewährtes unter einen Hut bringt. Rundentaktiker kommen auf ihre Kosten, auch wenn vielleicht nicht jedes Feature golden glänzt. Muss Civ am Ende doch seinen Thron räumen? Jetzt mit Test-Video!
Im Grunde funktionieren die Kämpfe gut, aber perfekt sind sie nicht: Immer wieder gerät das Geschehen etwas unübersichtlich, und auch die Laufwege von Einheiten lassen sich nicht immer nachvollziehen - besonders wenn wir Verstärkung schicken wollten, liefen unsere Truppen teils abenteuerliche Umwege, den Grund dafür konnten wir nur raten. Ein Rückgängig-Button für den letzten Zug wäre klasse! Auch das Balancing ist mitunter fragwürdig: Wer das Pech hat, in der Antike die Hunnen als Nachbarn zu haben, kann schon mal ein Gebet sprechen und ein halbes Dutzend Speerkämpfer ausbilden. Ach was, besser gleich mehr! Denn gegen die übermächtigen Hunnen-Reiter schien in unserem Test kein Kraut gewachsen, was auch der Grund sein dürfte, warum dieses Volk stets als erstes vergeben war.
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Auch ein Detail, das nicht jedem schmecken dürfte: Anstelle fester Schadenswerte werden die Zahlen zufällig aus einem gewissen Bereich ausgewürfelt - mal kassiert man 5 Schadenstreffer, mal sind es 15. Dieser Zufallsfaktor macht sich besonders beim automatischen Kampf bemerkbar, nämlich immer dann, wenn man eine Schlacht trotz deutlicher Überlegenheit verliert.
Quelle: PC Games
Krieg und Frieden
Bevor man sich Hals über Kopf in die Schlacht stürzt, sollte man aber ohnehin die Kriegsbereitschaft im Diplomatiemenü checken. Hier erfährt man, ob das eigene Volk überhaupt Interesse daran hat, eine andere Nation anzugreifen. Kriegsbereitschaft steigt beispielsweise, indem man einen Vorschlag des Gegenspielers ablehnt, also etwas wie Allianzen bilden, Kartenmaterial tauschen oder Handelsrouten einrichten. Dazu gibt es eine (sehr simple) Groll-Mechanik, in der Taten des Gegenspielers automatisch erfasst werden: Hat ein KI-Gegner beispielsweise eine Handelsroute unterbrochen oder ein lukratives Gebiet eingesackt, können wir dafür Geld oder andere Reparationsleistungen fordern. Diese Forderungen kann man freilich ablehnen - und schon steigt die Kriegsbereitschaft ein wenig.
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Sobald ein Krieg ausbricht, sinkt der Bereitschaftslevel mit jeder Runde. Ist er aufgebraucht, wird eine der beiden Seiten zur Kapitulation gezwungen und muss sich den Forderungen des Gegners fügen. Ab hier funktioniert Kriegsbereitschaft dann wie eine Art Ressource, mit der sich eroberte Städte und Territorien dauerhaft annektieren lassen. Was nicht übernommen wird, geht wieder an die Verliererseite zurück. Das macht einen militärischen Erdrutschsieg lange Zeit praktisch unmöglich, da man immer nur ein paar Gebiete auf einmal erobern kann. Allerdings kann es in fortgeschrittenen Partien auch zu zähen Momenten kommen, in denen man mehrere Runden warten muss, bis sich genügend Kriegsbereitschaft für einen weiteren Angriff aufgebaut hat. Eine vollständige Vernichtung ist allerdings auch nicht immer nötig: Wer einen Gegner mühelos überwältigt, kann ihn auch zum Vasallenstaat degradieren - damit gilt der Feind als besiegt und fügt sich eurem Willen, auch alle Ressourcen werden automatisch abgedrückt.
Die restlichen diplomatischen Möglichkeiten sind leider ziemlich überschaubar. Hat die Gegenseite genug Vertrauen, kann man ihr geteilte Karten, Handelswege oder einen Nichtangriffspakt vorschlagen. Auch Allianzen sind möglich, die gute Beziehungen weiter zementieren. Es besteht aber beispielsweise nicht die Möglichkeit, bestimmte Technologien gezielt von anderen Nationen einzufordern oder zu kaufen. Wir konnten auch keinem Verbündeten einen gezielten Angriffsbefehl erteilen. Es gibt lediglich Markierungen, die man seinen Vertrauten übermitteln kann - das dürfte dann aber wohl eher im Multiplayer interessant sein, in dem man das exakt gleiche Spiel mit bis zu acht Teilnehmern erlebt.
Umweltschutz
Ab der letzten Gegenwartsepoche kommt noch eine weitere Spielmechanik hinzu: Verschmutzung, die sich immer dann erhöht, wenn wir Fabriken und andere Industriegebäude bauen. Dann werden die Städte langsam in Smog gehüllt und ihre Produktivität nimmt ab. Treiben wir es zu bunt, wird die Erde unbewohnbar und das Spiel ist aus. (Parallelen zur Realität dürfen gerne gezogen werden.) Damit es nicht so weit kommt, können wir ein paar Hexfelder mit Bäumen bepflanzen, das soll - irgendwie - die Verschmutzung ausgleichen. Gemerkt haben wir davon im Test eher wenig. Auch gibt es keine praktische Übersicht, die es uns erlaubt, kritische Städte auszumachen oder Verbündete auf ihre Verschmutzung hinzuweisen. Ein Energiesystem fehlt ebenso, die wenigen sauberen Alternativen sind einfach nur Infrastruktur-Gebäude, die man als Upgrade kaufen kann. Auch Naturkatastrophen oder steigende Meeresspiegel sucht man vergebens. Hier ist Civilization 6 seit der Gathering-Storm-Erweiterung um Lichtjahre weiter.
Quelle: PC Games
Panzer vs. Mistgabel
Im "Late Game", also den späteren Spielphasen, kommen aber immerhin ein paar praktische Ergänzungen wie ein Bahnhof oder ein Flughafen hinzu. Ersterer erlaubt es, Einheiten schnell und automatisch von einer Stadt zur nächsten zu bringen. Flughäfen ermöglichen es dagegen, in nur einem Zug die komplette Weltkarte zu überqueren. Allerdings muss man hierzu die Einheiten von Hand auf einem Flughafen platzieren - und ausgerechnet der ist gegen Ende, wenn die Karte regelrecht zugebaut ist, gar nicht so einfach in der Umgebung auszumachen.
Hier kommen dann auch Lufteinheiten hinzu, die man aber nicht direkt steuert wie die Bodentruppen. Stattdessen gibt man ihnen Angriffs- und Bombardierungsaufträge, mit denen sie feindliche Stellungen anfliegen. Außerdem kann ein patrouillierendes Flugzeug automatisch gegnerische Flieger abfangen, die in unseren Luftraum eindringen. Ob das gut klappt oder nicht, konnten wir noch nicht testen - in unseren Partien hatten die meisten KI-Gegner gar kein Interesse daran, Kampfflugzeuge zu entwickeln. Dafür brachte es ein Gegenspieler zumindest mal auf einen nuklearen Sprengkopf, für die man zunächst einen Atomwaffentest durchziehen muss. Kommt diese Superwaffe zum Einsatz, bläst sie eine komplette Stadt samt Bezirken weg und hinterlässt nur nutzloses Ödland. Ob sich das wirklich lohnt und ob man nicht lieber in andere Bereiche investiert, die mehr Ruhmpunkte abwerfen, sei mal dahingestellt.
Das Gleiche gilt auch für die Marine-Einheiten. Zwar gibt es eine ordentliche Auswahl an Galeeren, Kriegsschiffen und sogar ein deutsches U-Boot, doch zumindest auf normaler KI-Stufe hatten die Gegner so gut wie nichts davon in Gebrauch. Das liegt vielleicht auch daran, dass selbst einfache Bodentruppen gefahrlos ein paar Felder über das Wasser zurücklegen können. Sie können sogar auf hoher See kämpfen, und das nicht mal schlecht: In unserem Test trieb sich in der Gegenwart ein sechsköpfiges Hunnen-Team herum, das es problemlos mit drei topmodernen Raketenkreuzern aufnehmen konnte. Logisch? Nein! Aber von dieser Erwartung sollte man sich in Humankind ohnehin verabschieden: Durch die wild gemixten Kulturen, die schnellen Epochensprünge und die Möglichkeit, eine frühe Kultur bis zum Ende beizubehalten, ergeben sich in den letzten Spielabschnitten kuriose Momente, in denen frühe Kamelreiter, Aquädukte und Lehmhütten auf modernste Luftwaffe, Hochhäuser und Kohlefabriken munter aufeinanderprallen.
Quelle: PC Games
Guter Spielfluss, schicke Grafik
Auch wenn es besonders in späteren Spielphasen ein wenig chaotisch zugeht, bleibt das Spiel immer gut unter Kontrolle. Die meisten Menüs sind durchdacht, fast jedes Icon ist mit einem erklärenden Tooltip gepflastert, außerdem gibt's nützliche Tutorial-Videos und ein spielinternes Glossar, das offene Fragen beantwort. Das Städtemenü könnte allerdings mehr Übersicht vertragen und gerade im letzten Zeitalter hätten ein paar Features mehr Erklärungen gebraucht. Dafür glänzt Humankind mit einem tollen Spielfluss, den man schon aus den Endless-Spielen kennt und der dafür sorgt, dass lange Wartephasen möglichst vermieden werden.
Quelle: PC Games
Besonders in späteren Spielphasen lohnt es sich außerdem, mal richtig an das Geschehen heranzuzoomen. Da erkennt man dann kleine Menschen auf den Straßen, Tiere tummeln sich auf den Feldern, Vögel ziehen am Himmel ihre Kreise, Autos und Züge sorgen für geschäftiges Treiben. Der Detailgrad ist toll und zieht sich auch durch die hübsche Landschaftsgestaltung, die sich mit ihren sanften Farben ein wenig vom Comic-Look der Firaxis-Konkurrenz abhebt. Bei den Charakteren hat Civilization 6 dagegen himmelweit die Nase vorn: Die Figuren in Humankind wirken im Vergleich detailarm und versprühen so gut wie keinen Charme.
Auch die Musik hat uns im Test kaum mitgerissen. Es gibt zwar jede Menge stimmungsvolle Stücke, die auch mit großem Aufwand eingespielt wurden, doch unterm Strich bleibt der Soundtrack eher unauffällig und verzichtet auf richtig eingängige Melodien, die im Ohr bleiben. Dafür sind die Tracks aber erfreulich abwechslungsreich und nerven auch nach vielen Stunden nicht. Und so viel ist mal klar: Wer Humankind anfängt, sollte Zeit einplanen und sich von Schlaf verabschieden! Das Nur-noch-eine-Runde-Prinzip, das schon die Endless-Spiele ausgezeichnet hat, hat uns nämlich auch hier fest im Griff.
Humankind ist für PC und Stadia erhältlich, der Preis liegt bei 60 Euro. Zum Release ist die PC-Fassung auch im Xbox Game Pass enthalten.
Ne... zum Ende hin fehlt es noch am Balancing, ich weiß gar nicht wann ich in der Gegenwart angekommen bin. Da ich obwohl viel in Forschung investiert, ich zu der Zeit immer noch mit der Technologie der Frühen Neuzeit beschäftigt war.
Bei den Gegnern sah es nicht anders aus.
Aber die Kriegsführung rockt! Den Gegner am Ausbluten zu zusehen hat schon was sehr perfides. :]
Man kann sehr früh Kernfusion erforschen, ohne überhaupt Computer oder den Verbrennungsmotor zu haben. Die Weltraumphase ist völlig unspektakulär. Für die Mondlandung baut eine Station auf der Erde innerhalb 2 Runden, fertig. Dann gibts ne Konzeptgrafik als Belohnung ???♂️
Und man ist komplett abhängig von 3 Öl. Ich habe die komplette Südhalbkugel besetzt und nur 1 Ölfeld im Gebiet. Also muss ich über Handel der Konkurrenz meine kompletten strategischen Ressourcen freigeben oder einen Eroberungskrieg führen. Natürlich komplett ohne moderne Waffen, da diese ja Öl brauchen.
Die letzte Phase hätte also noch deutlich mehr Entwicklungszeit benötigt.
Am interessantesten fand ich die ersten 2/3 Phasen, die auch ruhig länger hätten dauern können