Utopie, Zoff & Teerpfützen: Die erste Staffel von Star Trek The Next Generation

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Special Sebastian Göttling - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Utopie, Zoff & Teerpfützen: Die erste Staffel von Star Trek The Next Generation
Quelle: Paramount Pictures

In Teil 4 unserer Star Trek-Retrospektive wechseln wir vom Kino ins Fernsehen: Sebastian Göttling widmet sich Staffel 1 von Star Trek: The Next Generation!

Neben dem jungen und aufstrebenden Berman aktivierte Roddenberry für sein Autorenzimmer gleich drei alte Reckinnen und Recken: Robert Justman, zynischer Produzent der Urserie - Dorothy Fontana, die seinerzeit Drehbuchsupervisorin war und außerdem die Frau, die den Charakter Spocks und die Natur der Vulkanier formte -, und David Gerrold, den Erfinder der Tribbles. Die langjährigen Freunde Fontana und Gerrold schlossen schon im Vorfeld ihrer Anstellung einen Pakt. Als sie von der kommenden Serie hörten, griffen sie sofort zum Telefonhörer und verständigten sich darauf: Wer auch immer als Erstes für die Serie angefragt würde, sie oder er würde zusagen, aber nur unter der Bedingung, dass der oder die jeweils andere auch gleich mitangestellt wird. Auch dieser verrückte Plan ging auf.

Das Autorenzimmer war nun gefüllt, also war nun die nächste Frage, worum es überhaupt gehen sollte in der neuen Serie. Die alte Garde an den Schreibmaschinen legte den Schluss nahe, dass man sich auf altbekanntes Territorium begeben wollte. Und ja, anfangs stand die Idee eines Prequels im Raum, das womöglich an der Sternenflottenakademie gespielt hätte - ein Konzept, das jedes Mal, wenn es an ein neues Star Trek geht, wieder vorgebracht wird. Rasch entschloss man sich jedoch zu einer radikalen Vorgehensweise, die umso erstaunlicher war, wenn man bedenkt, dass Studiochefs normalerweise nur zu gerne das Weiterführen von Erfolgreichem und das Aufwärmen von Altbekanntem fordern.

Doch "The Next Generation" sollte alte Zöpfe abschneiden; die Serie nahm sich vor, in einem komplett neuen Jahrhundert zu spielen, keine Verbindungen mehr zu den bisher gezeigten Charakteren und Geschichten herzustellen - und die wohl bedeutendste Entscheidung war: Keine Vulkanier!

Und das, obwohl Mister Spock die Geheimzutat war, die der Urserie und der Filmreihe zu großem Erfolg verholfen hatte. Heutzutage ist es kaum denkbar, eine neue Star-Trek-Serie in Angriff zu nehmen, die außer der "Trek-Welt" und dem Namen Enterprise keinerlei Verbindungen herstellt zum bisher Gezeigten und im wahrsten Wortsinne "boldly going" neue Wege einschlägt. Schade eigentlich.

Ein luxuriöses Schiff ohne rechten Winkel: Die Enterprise-D Quelle: Paramount Pictures Ein luxuriöses Schiff ohne rechten Winkel: Die Enterprise-D Roddenberry, der dank seiner Vortragsreisen in den Siebzigerjahren mittlerweile als Futurist und Utopist galt, wollte just diesen Ruf zementieren, zu Lebzeiten an seinem Vermächtnis schrauben. Er sah in der neuen Serie nicht mehr eine Fabel auf die heutige Zeit, sondern wollte wahrhaftig Die Zukunft™ zeigen.

An die Stelle kaum verschleierter sozialkritischer Storys sollte nun das strahlende 24. Jahrhundert treten. Bevölkert wurde dieses nicht mehr von Charakteren, die sich wie Spock und Pille den lieben langen Tag zanken, nein, solche banalen Konflikte gibt es in einer perfekten Menschheit nicht mehr.

Wenn schon Remmidemmi, dann bitte nur von außen. Das war sicherlich auch ein Stinkefinger Roddenberrys in Richtung Harve Bennett, der ihm die Kinofilme entrissen hatte und dort einen erdigeren Erzählstil an den Tag legte. An dieser engen Vorgabe, innerhalb der Mannschaft nur Friede-Freude-Eierkuchen darzustellen, die auch als "Die Roddenberry-Box" bekannt wurde, sollten viele Jahre lang dutzende Autorinnen und Autoren verzweifeln, denn Storys ohne internen Konflikt sind verdammt hart zu erzählen.

Diese strahlende Zukunft sollte sich auch im Schiff und seine Mission niederschlagen. Statt der militärischen, nüchternen und klaustrophobischen Enterprise der Sechzigerjahre, sollte das neue Schiff ein funkelndes Juwel sein. Eine fliegende Stadt, geräumig und voller Luxus wie das teuerste Hotel.

So bequem, dass die große Erkundungsmission von vorneherein nicht nur auf fünf Jahre, sondern auf 25 Jahre angelegt war, und dass alle Offizierinnen und Offiziere ihre Familien mit an Bord nehmen konnten. Dieses Gefühl von Optimismus sollte auch in die Ästhetik des Schiffes übersetzt werden, was dem begnadeten Designer Andy Probert meisterlich gelang, der auch schon den DeLorean-Umbau für "Zurück in die Zukunft" konzipiert hatte.

Seine Enterprise-D hat keinen einzigen rechten Winkel, das ist Hollywood für "sie war verdammt teuer". Diese Formensprache zieht sich auch im Inneren des Schiffes durch: Die Brücke mit der großen geschwungenen Gräte, hinter der Worf für gewöhnlich steht, zitiert die äußeren Kurven der Enterprise und stammte ebenfalls von Probert.

Damit dieses neue Schiff auch besonders hübsch in Szene gesetzt werden konnte, engagierte man für den Pilotfilm George Lucas' Effekthaus Industrial Light & Magic. Das Ergebnis war mehr als beeindruckend; so wunderschön war Star Trek auf dem kleinen Fernsehbildschirm noch nie gewesen. Im späteren Verlauf der Serie würde das Inhouse-Effektteam Paramounts übernehmen und trotzdem auf dem gesetzten, hohen Niveau weiterarbeiten.

Musikalisch wurde dieser Feinschliff eingefangen, indem für die Titelmusik die bekannte Star-Trek-Fanfare von Alexander Courage kombiniert wurde mit dem bis dato wohl prachtvollsten Star-Trek-Kinosoundtrack, den Jerry Goldsmith für den ersten Film komponiert hatte.

Damit wurde dieses Stück bis heute zum musikalischen Symbol für Star Trek. Den Komponisten-Grind Woche für Woche übernahmen Dennis McCarthy und sein kongenialer Kollege Ron Jones, der dafür sorgte, dass gerade in den Anfangsjahren der Next Generation eine Mischung aus majestätischen Orchesterklängen und rhythmischen Synthesizer-Beats erklang, die John Carpenters Kompositionen gar nicht unähnlich waren.

Ein neues Jahrhundert, ein neues Schiff und die passende Musik reichten natürlich nicht aus, die Enterprise, die musste auch bevölkert werden von einer brandneuen Crew. Die sogenannte Serienbibel, die alle Charaktere grob umreißt und ihnen Hintergrundgeschichten andichtet, stammte aus der Feder von David Gerrold, wenn auch anschließend Gene Roddenberry seinen Namen aufs Cover schrieb (ein erstes Anzeichen davon, dass die Harmonie unter den alten Hasen gefährdet war).

    • Kommentare (20)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von aga74 Stille/r Leser/in
        Schöner Artikel!

        Ich habe TNG, DS9 und Voyager dieses Jahr erst noch mal durch-gesuchtet...und muss sagen die Geschichten haben nix an ihrer Aktualität eingebüßt. Effekte sind vielleicht etwas angestaubt, aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. SciFi mit Moral - das gibt's eigentlich nur bei Star Trek. Da kam für mich eigentlich nur noch Babylon 5 ran...

        Und was die neuen Serien angeht, da halt ich mich an den Kodex von Star Trek: Toleranz! Ich mag die eigentlich alle. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ganz vorn natürlich "Picard". Die letzte Staffel war der Hammer - und Fanservice pur.
        Ich kenne das TNG Team auch persönlich von diversen Conventions, und es ist unglaublich wie dicke die noch alle miteinander sind. Diese "Familie" die ja viele Serien-Casts für sich propagieren ist bei der Crew von TNG absolut real. Immer wieder schön wenn ich der quirligen Sirtis's Geschichten von "old boldy" lauschen darf. :D Durch dieses Wissen um diesen Zusammenhalt der Schauspieler macht das Schauen der alten und neuen Folgen nochmal extra viel Freude.
      • Von aga74 Stille/r Leser/in
        Schöner Artikel!

        Ich habe TNG, DS9 und Voyager dieses Jahr erst noch mal durch-gesuchtet...und muss sagen die Geschichten haben nix an ihrer Aktualität eingebüßt. Effekte sind vielleicht etwas angestaubt, aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. SciFi mit Moral - das gibt's eigentlich nur bei Star Trek. Da kam für mich eigentlich nur noch Babylon 5 ran...

        Und was die neuen Serien angeht, da halt ich mich an den Kodex von Star Trek: Toleranz! Ich mag die eigentlich alle. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ganz vorn natürlich "Picard". Die letzte Staffel war der Hammer - und Fanservice pur.
        Ich kenne das TNG Team auch persönlich von diversen Conventions, und es ist unglaublich wie dicke die noch alle miteinander sind. Diese "Familie" die ja viele Serien-Casts für sich propagieren ist bei der Crew von TNG absolut real. Immer wieder schön wenn ich der quirligen Sirtis's Geschichten von "old boldy" lauschen darf. :D Durch dieses Wissen um diesen Zusammenhalt der Schauspieler macht das Schauen der alten und neuen Folgen nochmal extra viel Freude.
      • Von Nevrion Spiele-Enthusiast/in
        Hab die Serie zwar als Kind sicher mitbekommen, ich denke sogar auf SAT1, aber ich sehe mich nicht als Star Trek Fan. Hängen geblieben ist davon vor allem die deutsche Neusynch einzelner Episoden, die als "sinnlos im Weltraum" bekannt wurden. Ist für mich immer untrennbar mit Picard und Co verbunden und so gesehen, kann ich Ryker ("Meint der mich wenn er Ryker sagt?") und Co heute auch nicht mehr ernst nehmen, weil immer dass Abbild von "Sinnlos im Weltraum" durch meinen Kopf schwirrt.
      • Von ZAM Spiele-Kenner/in
        Wie immer, schöner Artikel Herr Filmeonkel. ^^

        ENT, TOS, TNG, DS9 und VOY sind der einzige Grund, warum ich Netflix noch habe. Wenn es da weg ist, darf P+ gern mal zeigen, was es so hat. ^^
      • Von fud1974 Spiele-Kenner/in
        Zitat von Neawoulf
        Und generell mochte ich den Optimismus bzgl. der Zukunft der Menschheit in der Serie. Das vermisse ich sehr an neueren (nicht nur) Star Trek Serien und Filmen und ich gehe davon aus, dass man das nicht mehr macht, weil es sich nicht so gut verkauft, weil es nicht zum aktuellen "Zeitgeist" passt.

        Aber ich glaube die Menschheit braucht in einer Zeit der Krisen, wie z. B. der zurückliegenden Corona Pandemie, der Aggression der russischen Regierung und der generellen Unzufriedenheit und Wut vieler Leute, wieder optimistischere Zukunftsvisionen, selbst wenn sowas anfangs evtl. nicht so viele Zuschauer anlockt, wie düsterere Geschichten.
        Ach, nun ja, noch ist nicht alle Hoffnung verloren was das angeht (passt ja.. :P)

        Tatsächlich war in den letzten Jahren eher "dirty" und "dark" in, aber das ist halt auch immer ein Zeitgeist - Ding. Einige hat das naiv-zukunftsfreudige "wir sind die guten" Szenario von solchen Serien (egal ob TV oder anderweitig) halt immer auch gestört... Wir träumten als Teenager in den Endachzigern frühen Neunzigern eher davon, dass mal so richtig der (Cyber)punk abgeht, und nicht Leute in schnieken Uniformen was von Werten faseln... :P

        Zumindest meine Fraktion war so, aber wie man sieht gab und gibt es da Unterschiede.

        Aber wie gesagt, gibt auch Entwicklungen wieder zurück in die zukunftsfreudige Ecke, und das ist ja auch gut so, zumindest im Brettspielbereich.

        Stichwort: "Hopepunk"

        Nein, das habe ich jetzt nicht erfunden.

        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Zitat von MrFob
        Also ich schau ja auch gerade wieder immer mal hier und da ne Folge. Bin in Staffel 4 und habe natuerlich (wie fast immer) die gegenteilige Meinung zu [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen] . :-D

        So viele gute Folgen! Data's Day, eine etwas leichtere Episode und wahrscheinlich eine meiner Lieblings ST Folgen ueberhaupt, The Drummhead mit Picard's bekannter Ansprache: "with the first link, the chain is forged" (auch heute noch sehr relevant die Folge, vor allem Picards Schlussgespraech mit Worf). The Wounded, wo wir zum ersten mal die Cardassianer kennenlernen. The Mind's Eye, in der die Romulaner nochmal so richtig fies sein duerfen und dann der ganze Klingonen-Arc, der sich ueber 2 Staffeln aufbaut um dann im Finale von Staffel 4 einen Hoehepunkt erlangt.

        Die ersten beiden Staffeln, ja ok, hatten mehr Tief- als Hoehepunkte, das ist richtig aber TNG als Ganzes ist einfach peak Trek.

        Das waren halt mal richtig gute Drehbuecher und exzellent gespielt. Da konnte mMn Voyager nie so recht mithalten. Aber so hat eben jeder seine Vorlieben und das ist ja auch ok so. ;)
        Niemand muss meine Meinung teilen, ist auch vollkommen okay. Genauso hinsichtlich Voyager. ;-)

        Die damals noch leicht vorhandene Faszination von TNG verspüre ich heute einfach nicht mehr, was mitunter auch daran liegt dass TOS die eigentliche Serie meiner Kindheit war. Ohne die Beliebheit von Picard und Co. runtermachen zu wollen, aber die Kirk-Crew als Ganzes funktionierte einfach perfekt. TNG war da mit Crusher und teilweise mit Troi hingegen ein wenig "bestraft". ^^
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