Utopie, Zoff & Teerpfützen: Die erste Staffel von Star Trek The Next Generation

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Special Sebastian Göttling - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Utopie, Zoff & Teerpfützen: Die erste Staffel von Star Trek The Next Generation
Quelle: Paramount Pictures

In Teil 5 unserer Star Trek-Retrospektive wechseln wir von der Kinoleinwand auf den Fernsehbildschirm: Sebastian Göttling widmet sich Staffel 1 von Star Trek: The Next Generation!

Lieutenant Tasha Yar ist tot. Niedergestreckt von einer sadistischen, außerirdischen Teerpfütze namens Armus auf dem gottverlassenen Planeten Vagra II. Als ich das zum ersten Mal sehe, ist mir Tasha gänzlich unbekannt, deswegen hinterlässt ihr Ableben wenig bis gar keinen Eindruck bei mir. Doch meine Schulfreundin Sonja, die am Samstag, den 9. März 1991 bei mir zu Besuch ist und mich dazu zwingt, mit ihr "Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert" auf dem ZDF zu schauen, ist Vollblut-Fan und entsetzt, dass die Sicherheitschefin der Enterprise auf so drastische Art und Weise aus der Serie geschrieben wurde. Die Episode "Skin of Evil" (Die schwarze Seele) ist nicht nur meine erste Episode von "Star Trek: The Next Generation", sondern meine allererste Star-Trek-Folge überhaupt. Und auch wenn der Tod Tashas für mich nicht so bemerkenswert ist wie für Sonja, ereignet sich in dieser Folge, die qualitativ durchaus umstritten ist, trotzdem etwas so Bemerkenswertes, dass es fortan um mich geschehen ist.

Ich bin jetzt Star-Trek-Fan und werde es auch 32 Jahre später immer noch sein, werde unmittelbar daraus sogar meinen zukünftigen Beruf ableiten. Doch fürs Erste genug von mir, später mehr Anekdotisches aus meiner persönlichen Fangeschichte. Wagen wir einen Blick auf die bewegte Entstehungsgeschichte der nächsten Generation.

Aufmerksame Leserinnen und Leser dieser Reihe haben sicherlich damit gerechnet, hier auf pcgames.de als Nächstes einen tiefen Einblick in den fünften Star-Trek-Kinofilm "The Final Frontier" (Am Rande des Universums) zu lesen. Dieser Artikel wird auch wahrscheinlich folgen, so uns allen der Große Vogel der Galaxis weiterhin gnädig bleibt.


Sebastians bisherige Star-Trek-Retrospecials


Doch immer der Reihe nach. Der Film, von dem ich hier zuletzt schrieb, "Star Trek 4: The Voyage Home" (Zurück in die Gegenwart), wurde Ende November 1986 im zwanzigsten Jubiläumsjahr von Star Trek veröffentlicht. Bereits einen Monat zuvor, am 20. Oktober 1986, veranstaltete Paramount eine Pressekonferenz mit viel Tamtam, in der feierlich eine zweite Star-Trek-Realserie angekündigt und deren Titel bekannt gegeben wurde: The Next Generation.

Sieben Jahre nach Beginn der Kinofilmreihe hatte sich gezeigt, dass Star Trek an den Kassen der US-Kinos, wenn auch nicht in Übersee, eine sichere Bank war. Doch ihre Ursprünge hatte die Serie bekanntermaßen im Fernsehen, wo sie Ende der Sechziger drei Jahre lang einigermaßen erfolgreich lief, besonders bei den fürs Marketing "wertvollen" Zielgruppen, aber trotzdem aufgrund unterschiedlichster Dinge gegen die Wand gefahren wurde.

Die Siebzigerjahre waren, wenn man mal die Zeichentrickserie ausblendet, komplett mau, was neues Star Trek im Fernsehen anging. Altes Star Trek jedoch feierte in den Siebzigern auf US-Bildschirmen Furore, denn in Syndication, so nennt sich das große Netzwerk lokaler Fernsehsender in den USA, liefen die 79 Episoden der Urserie montags bis freitags rauf und runter und hatten einen riesigen, wenn auch verspäteten Erfolg bei Teenagern, die so nach der Schule ihre tägliche Dosis Science-Fiction bekamen.

Die Crew aus Star Trek: The Next Generation Quelle: Paramount Pictures Eine neue Serie war da eigentlich nur eine Frage der Zeit und in der zweiten Hälfte der Siebziger war diese auch unter dem Titel "Phase 2" in Vorbereitung. Jedoch: Der kolossal-überraschende Blockbuster-Erfolg von Star Wars führte dazu, dass Star Trek kurzerhand ebenfalls zu einer Kinoreihe mutierte, die "Phase 2" abgesagt wurde und das Franchise erst einmal einige Jahre lang in ein anderes, cineastischeres Hosenbein der Filmgeschichte abtauchte.

Nun aber, im Jahr 1986, beschloss man endlich, dass Star Trek zweigleisig fahren konnte und wieder in seine ursprüngliche Heimat, das Fernsehen, zurückkehren sollte. Übrigens mit einem sehr gewagten Geschäftsmodell, nämlich First-run-Syndication, also eine Erstausstrahlung auf den vorgenannten Lokalsendern anstatt auf einem der nationalen Network-Großsender.

Eine so teure Serie wie Next Generation hatte noch nie zuvor diesen Weg der breiten Streuung eingeschlagen. 1,3 Millionen Dollar sollte jede Folge kosten, die jeweilige Erstausstrahlung 980.000 Dollar Werbeeinnahmen generieren - und das Defizit von rund 300.000 Dollar mussten dann spätere Wiederholungen reinholen.

In der Wahl des Chefs und Produzenten nimmt die Geschichte hier eine unerwartete Wendung. Wir erinnern uns: Nach dem ersten Kinofilm hatte man dem Star-Trek-Schöpfer Gene Roddenberry die Schuld an allen möglichen Dingen in die Schuhe geschoben - sowohl berechtigt als auch unberechtigt - denn er war den großen Honchos bei Paramount zu unbequem und man wollte sich seiner entledigen.

So saß der Große Vogel der Galaxis ab 1980 ohne jegliche kreative Macht auf dem Stuhl des konstitutiven Beraters, eben die Queen von Star Trek, während Produzent Harve Bennett de facto die Geschicke der Kinoreihe lenkte. Für die brandneue Fernsehserie aber war es Paramount sehr wichtig, den Namen Roddenberry ganz groß auf das Produkt klatschen zu können.

Zum einen, um den Fans, die sich eine würdige Fortsetzung der Originalserie wünschten, Kontinuität zu suggerieren - zum anderen als einfache Werbemaßnahme, denn der Name Roddenberry war durchaus ein Zugpferd, wofür der gerissene Gene in den Siebzigerjahren durch Convention-Auftritte und Vorträge auf futuristischen Kongressen gesorgt hatte.

Die Studiobosse empfanden ihn als nervig, aber für die Fans war er der große Guru. Ausgerechnet jetzt aber - Schockschwerenot! - war Roddenberry bockig. Er hatte keine Lust, zurückzukehren, so ließ er verlauten, stattdessen war es ihm wichtiger, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, die er in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt hatte.

Riker (Jonathan Frakes) und Picard (Patrick Stewart) blicken versonnen in die strahlende Zukunft des 24. Jahrhunderts. Quelle: Paramount Pictures Riker (Jonathan Frakes) und Picard (Patrick Stewart) blicken versonnen in die strahlende Zukunft des 24. Jahrhunderts. Doch so leicht ließen sich die Paramount-Chefs nicht abschütteln. Sie heuerten den Autor Greg Strangis an und gaben Pressemitteilungen heraus, dass dieser die Zügel in die Hand nehmen würde. Strangis schrieb ein Konzept rund um einen intergalaktischen Krieg zwischen der Föderation und den Klingonen, der, so wird heute berichtet, bewusst frisiert wurde, um verrückt, unpassend und reißerisch zu wirken.

Warum diese Anstrengung, eine bewusst ungute Geschichte in die Welt zu setzen? Nun, dieser Pitch sollte Gene Roddenberry in die Hände gespielt werden, damit dieser entsetzt darüber wäre, was mit seinem Baby Star Trek passieren sollte, und sich daraufhin doch bereit erklärten würde, wiederzukommen.

Long story short: Dieser aberwitzige Plan ging auf, der einstmals entthronte Chef ließ sich breitschlagen, dachte sich "das kann ich besser!" und saß nun wieder am Steuer.

Doch Roddenberry war kompromissloser, ärgerlicher und unangepasster denn je. Schon nach wenigen Tagen war klar: Ohne einen Mittelsmann zwischen ihm und der Chefetage Paramounts würde es über kurz oder lang zum katastrophalen Showdown kommen. Enter Rick Berman. Der damals Anfang 40-jährige Juniorpräsident war unter den Mächtigen bei Paramount derjenige, der am weitesten unten in der Hackordnung stand.

Er konnte sich folglich nicht dagegen wehren, der "Betreuer" von Roddenberry zu werden; niemand anderes hatte Lust auf diese undankbare Aufgabe. Zu allem Überfluss interessierte Berman sich eigentlich überhaupt nicht für Science-Fiction, kam aus dem Bereich Dokumentarfilm, bereiste am allerliebsten ferne Länder und begeisterte sich für Kunst, teuren Wein und Hochkultur.

All das klingt erst einmal wenig vielversprechend, doch die Geschichte nimmt hier eine weitere, unerwartete Wendung: Die beiden Herren Roddenberry und Berman trafen sich zum Abendessen und waren sich auf Anhieb sympathisch.

Es war insofern ein kluger Schachzug Gene Roddenberry gegenüber, ihm als Kompagnon einen weltgewandten und klugen jungen Kopf vorzuschlagen, dem er sich aber trotzdem überlegen fühlte und in dem er keinen Konkurrenten vom Schlage eines Harve Bennett sah, der ihm womöglich die Butter vom Brot und sein Baby wegnehmen wollte.

Bildergalerie

Roddenberry war demzufolge mehr als einverstanden, Rick Berman sagte ebenfalls zu und ahnte zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass diese Entscheidung die wichtigste für sein Leben, sein Vermächtnis, und sein Bankkonto sein würde. Bis zu seinem Renteneintritt 18 Jahre später sollte Berman Lenker des ihm anfangs so fremden Franchises bleiben.

    • Kommentare (20)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von aga74 Stille/r Leser/in
        Schöner Artikel!

        Ich habe TNG, DS9 und Voyager dieses Jahr erst noch mal durch-gesuchtet...und muss sagen die Geschichten haben nix an ihrer Aktualität eingebüßt. Effekte sind vielleicht etwas angestaubt, aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. SciFi mit Moral - das gibt's eigentlich nur bei Star Trek. Da kam für mich eigentlich nur noch Babylon 5 ran...

        Und was die neuen Serien angeht, da halt ich mich an den Kodex von Star Trek: Toleranz! Ich mag die eigentlich alle. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ganz vorn natürlich "Picard". Die letzte Staffel war der Hammer - und Fanservice pur.
        Ich kenne das TNG Team auch persönlich von diversen Conventions, und es ist unglaublich wie dicke die noch alle miteinander sind. Diese "Familie" die ja viele Serien-Casts für sich propagieren ist bei der Crew von TNG absolut real. Immer wieder schön wenn ich der quirligen Sirtis's Geschichten von "old boldy" lauschen darf. :D Durch dieses Wissen um diesen Zusammenhalt der Schauspieler macht das Schauen der alten und neuen Folgen nochmal extra viel Freude.
      • Von aga74 Stille/r Leser/in
        Schöner Artikel!

        Ich habe TNG, DS9 und Voyager dieses Jahr erst noch mal durch-gesuchtet...und muss sagen die Geschichten haben nix an ihrer Aktualität eingebüßt. Effekte sind vielleicht etwas angestaubt, aber daran gewöhnt man sich sehr schnell. SciFi mit Moral - das gibt's eigentlich nur bei Star Trek. Da kam für mich eigentlich nur noch Babylon 5 ran...

        Und was die neuen Serien angeht, da halt ich mich an den Kodex von Star Trek: Toleranz! Ich mag die eigentlich alle. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ganz vorn natürlich "Picard". Die letzte Staffel war der Hammer - und Fanservice pur.
        Ich kenne das TNG Team auch persönlich von diversen Conventions, und es ist unglaublich wie dicke die noch alle miteinander sind. Diese "Familie" die ja viele Serien-Casts für sich propagieren ist bei der Crew von TNG absolut real. Immer wieder schön wenn ich der quirligen Sirtis's Geschichten von "old boldy" lauschen darf. :D Durch dieses Wissen um diesen Zusammenhalt der Schauspieler macht das Schauen der alten und neuen Folgen nochmal extra viel Freude.
      • Von Nevrion Spiele-Enthusiast/in
        Hab die Serie zwar als Kind sicher mitbekommen, ich denke sogar auf SAT1, aber ich sehe mich nicht als Star Trek Fan. Hängen geblieben ist davon vor allem die deutsche Neusynch einzelner Episoden, die als "sinnlos im Weltraum" bekannt wurden. Ist für mich immer untrennbar mit Picard und Co verbunden und so gesehen, kann ich Ryker ("Meint der mich wenn er Ryker sagt?") und Co heute auch nicht mehr ernst nehmen, weil immer dass Abbild von "Sinnlos im Weltraum" durch meinen Kopf schwirrt.
      • Von ZAM Spiele-Kenner/in
        Wie immer, schöner Artikel Herr Filmeonkel. ^^

        ENT, TOS, TNG, DS9 und VOY sind der einzige Grund, warum ich Netflix noch habe. Wenn es da weg ist, darf P+ gern mal zeigen, was es so hat. ^^
      • Von fud1974 Spiele-Kenner/in
        Zitat von Neawoulf
        Und generell mochte ich den Optimismus bzgl. der Zukunft der Menschheit in der Serie. Das vermisse ich sehr an neueren (nicht nur) Star Trek Serien und Filmen und ich gehe davon aus, dass man das nicht mehr macht, weil es sich nicht so gut verkauft, weil es nicht zum aktuellen "Zeitgeist" passt.

        Aber ich glaube die Menschheit braucht in einer Zeit der Krisen, wie z. B. der zurückliegenden Corona Pandemie, der Aggression der russischen Regierung und der generellen Unzufriedenheit und Wut vieler Leute, wieder optimistischere Zukunftsvisionen, selbst wenn sowas anfangs evtl. nicht so viele Zuschauer anlockt, wie düsterere Geschichten.
        Ach, nun ja, noch ist nicht alle Hoffnung verloren was das angeht (passt ja.. :P)

        Tatsächlich war in den letzten Jahren eher "dirty" und "dark" in, aber das ist halt auch immer ein Zeitgeist - Ding. Einige hat das naiv-zukunftsfreudige "wir sind die guten" Szenario von solchen Serien (egal ob TV oder anderweitig) halt immer auch gestört... Wir träumten als Teenager in den Endachzigern frühen Neunzigern eher davon, dass mal so richtig der (Cyber)punk abgeht, und nicht Leute in schnieken Uniformen was von Werten faseln... :P

        Zumindest meine Fraktion war so, aber wie man sieht gab und gibt es da Unterschiede.

        Aber wie gesagt, gibt auch Entwicklungen wieder zurück in die zukunftsfreudige Ecke, und das ist ja auch gut so, zumindest im Brettspielbereich.

        Stichwort: "Hopepunk"

        Nein, das habe ich jetzt nicht erfunden.

        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Zitat von MrFob
        Also ich schau ja auch gerade wieder immer mal hier und da ne Folge. Bin in Staffel 4 und habe natuerlich (wie fast immer) die gegenteilige Meinung zu [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen] . :-D

        So viele gute Folgen! Data's Day, eine etwas leichtere Episode und wahrscheinlich eine meiner Lieblings ST Folgen ueberhaupt, The Drummhead mit Picard's bekannter Ansprache: "with the first link, the chain is forged" (auch heute noch sehr relevant die Folge, vor allem Picards Schlussgespraech mit Worf). The Wounded, wo wir zum ersten mal die Cardassianer kennenlernen. The Mind's Eye, in der die Romulaner nochmal so richtig fies sein duerfen und dann der ganze Klingonen-Arc, der sich ueber 2 Staffeln aufbaut um dann im Finale von Staffel 4 einen Hoehepunkt erlangt.

        Die ersten beiden Staffeln, ja ok, hatten mehr Tief- als Hoehepunkte, das ist richtig aber TNG als Ganzes ist einfach peak Trek.

        Das waren halt mal richtig gute Drehbuecher und exzellent gespielt. Da konnte mMn Voyager nie so recht mithalten. Aber so hat eben jeder seine Vorlieben und das ist ja auch ok so. ;)
        Niemand muss meine Meinung teilen, ist auch vollkommen okay. Genauso hinsichtlich Voyager. ;-)

        Die damals noch leicht vorhandene Faszination von TNG verspüre ich heute einfach nicht mehr, was mitunter auch daran liegt dass TOS die eigentliche Serie meiner Kindheit war. Ohne die Beliebheit von Picard und Co. runtermachen zu wollen, aber die Kirk-Crew als Ganzes funktionierte einfach perfekt. TNG war da mit Crusher und teilweise mit Troi hingegen ein wenig "bestraft". ^^
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