Eiyuden Chronicle Hundred Heroes hätte fantastisch sein können - ist es aber leider nicht ...
Nach vielen Jahren Arbeit, 4,5 Millionen Dollar auf Kickstarter und noch mehr Liebe zum RPG-Genre ist der spirituelle Nachfolger der Suikoden-Serie jetzt bereit für sein nächstes Abenteuer. Unser Test zu Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes!
Das Problem ist gar nicht mal so sehr, dass diese ständigen Slowdowns die Spielzeit künstlich aufblähen. Die eigentliche Krux ist, dass man als Spieler irgendwann keinen Bock mehr darauf hat, sich durch diesen zähen Sumpf zu robben.
Es kommt der Moment, in dem man sich denkt: "Ach was soll's, dann spiele ich halt mit einem fast perfekten statt mit einem perfekten Build, ich hab' jetzt keine Lust auf die Umbauerei!" Und das war's dann eigentlich. Denn gerade diese Umbauerei zum Streben nach Perfektion ist eines der Kern-Spaßelemente, das Hundred Heroes für sich auszurufen versucht!
Man muss und soll hier eine Leidenschaft für passives Min-/Maxing entwickeln, die schon fast ein bisschen meinen Tower-Defense-Instinkt kitzelt. Das Ganze mal hundert spielbare Helden. In so einer Umgebung ist jede Verzögerung beim dutzend-, hundert-, tausendfachen Set-up einfach pures Gameplay-Gift.
Das Schlimmste ist, dass ich nicht mit Gewissheit sagen kann, ob es sich bei diesen Menü-Delays um den Versuch einer künstlerischen Entschleunigung handeln soll oder ob die Technik das einfach nicht besser gebacken bekommt. Im ersten Fall: Patcht den Schmarrn raus! Im zweiten Fall tut es einfach nur weh.
Quelle: PC Games
7 von Innen
So. Wertungszeit. Was gebe ich dem guten Stück? Ich tue mich leicht damit, zu einer 7 zu greifen. Denn Spiele aus einer ähnlichen Zeit und Zunft sind für mich Octopath Traveler 2 und Sea of Stars.
Und auf deren 8er-Niveau sehe ich Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes nicht ganz. Vielleicht nur einen Schritt davon entfernt. Aber eben nicht ganz - und zwar selbst dann, wenn die beseitigbaren Bugs beseitigt werden. Dafür kommen zu viele Probleme aus dem Inneren des Spiels.
Es fehlt am spielmechanischen Feinschliff bei den Charakteren und auch ein bisschen an der Technik. Es fehlt aber vor allem auch die letzte Entschlossenheit beim eigenen Konzept. Man hat zu oft das Gefühl, hier werden alle möglichen Figuren und Ideen angerissen, dann aber auch schnell wieder etwas anderes ausprobiert.
Hundred Heroes fehlt es einfach auch an zeitgemäßen Quality-of-Life-Aspekten. Dass ich ständig ins Hotel zurückrenne, um die MP meiner restriktiv teuren Magie wieder aufzuladen, weil das weder Speicherpunkte noch Level-ups tun, ist ein echt veralteter Gameflow-Ansatz. Und damit meine ich nicht klassisch oder nostalgisch, sondern einfach nur veraltet.
Dass ich mitunter zehn Level in einen Charakter pumpe, bevor ich mit seinen fleißig gesammelten Fähigkeitspunkten überhaupt etwas anfangen kann, ist einfach schlecht durchdacht.
Dass ich serienweise imperiale Truppen aus dem Handgelenk one-shotte, gleichzeitig die Dramaturgie des Spiels aber nahelegt, ich würde vor einem übermächtigen Feind fliehen, fühlt sich auch unausgegoren an. Das mit dem schweren Modus hatte ich erwähnt, ja?
Quelle: PC Games
Viele Hände schaffen gute Dinge
Ihr könnt mit dem Kauf des neuen Eiyuden Chronicle (abseits im Moment noch der Switch-Version) aber nichts falsch machen. Trotz seiner für mich subjektiven und einiger objektiven Schwächen lädt euch das Spiel auf eine fesselnde und vor allem stark präsentierte Geschichte ein, die es wert ist, dass man in ihr Erleben mitunter genauso viel Zeit investiert wie in die nötige zähe Vorbereitung des Abenteuers.
Und auch, wenn Hundred Heroes bei seinen Versuchen, markant zu sein ab und zu ins Schlingern kommt, spürt man doch an allen Ecken und Enden, wie sehr sich das Spiel ins Zeug legt - bei der Präsentation der Figuren, dem überraschend starken Voice Acting, den liebevoll designten Sprites und Effekten, den immer wieder neuen kleinen und großen Ideen.
Alle paar Stunden kommt Hundred Heroes ganz begeistert vorbei und sagt: "Oh, ooooh! Wäre das nicht auch toll?" Manchmal ist es das nicht. Oft aber schon.
Eiyuden Chronicle will ein starkes RPG sein. Und es will seinem Genre etwas mitgeben, das ihr so vielleicht noch nie in einem Rollenspiel gesehen habt oder das euch an schöne, alte Zeiten erinnert. Dass dazu eure Brillengläser ein bisschen rosarot getüncht sein müssen - geschenkt.
Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes ist seit dem 23. April 2024 erhältlich, und ihr könnt es auf fast jeder derzeit aktuellen oder semi-aktuellen Plattform spielen: neben dem PC, auf dem wir es getestet haben, auch auf der PS5, der Playstation 4, der Nintendo Switch sowie Xbox Series X/S und Xbox One. Transparenzhinweis: Der Review-Code wurde uns vom Publisher zur Verfügung gestellt.
