Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek, Teil 2: Von den wilden 70ern bis zu seinem Vermächtnis

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Special Sebastian Göttling - Autor Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
Gene Roddenberry, der Erfinder von Star Trek, Teil 2: Von den wilden 70ern bis zu seinem Vermächtnis
Quelle: Paramount

Gene Roddenberry war mehr als nur der Erfinder von Star Trek. Im zweiten Teil unseres Blicks auf sein Leben widmen wir uns unter anderem seinem bleibenden Einfluss.

Teil 1 dieses Artikels erzählte von den frühen Tagen des Gene Roddenberry - als Luftfahrer und Polizist -, aber auch von seinen ersten Schritten in Hollywood bis hin zu seiner wohl bedeutendsten Schöpfung, dem originalen Star Trek. Jetzt geht es kopfüber in die 70er, der große Vogel der Galaxis muss sich ständig neu erfinden und da wird es richtig groovy ...

Roddenberry 10: Ein Mann unbändigen Appetits

In der offiziellen Biografie Roddenberrys und auch im Prolog dieses Artikels heißt es einigermaßen unschuldig, dass der Schöpfer von Star Trek ab Beginn der Next Generation gesundheitlich abbaute und unter anderem an Diabetes verstarb. Doch das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit, denn Roddenberry war zeitlebens ein Genussmensch, der sich freigebig bediente bei legalen, weniger legalen und verschreibungspflichtigen Drogen.

Marihuana richtete vermutlich noch geringere Schäden an, aber er genoss auch Alkohol (bevorzugt braune, hochprozentige Spirituosen), Quaaludes, Amphetamine, Ritalin und Kokain. Das ging seit den 60er-Jahren so und Roddenberry war schlichtweg nicht zu bremsen. Die Partys in seinem Anwesen in Bel Air gelten bis heute als legendär. "What happens in Gene's hot tub, stays in Gene's hot tub."

Wenn das außerdem nach ausschweifendem sexuellen Appetit klingt, dann stimmt das völlig. Seine erste Gattin, Eileen Rexroat, die ein blutjunger Gene Roddenberry heiratete, als er in den Zweiten Weltkrieg zog, betrog er noch vor Star Trek mit Uhura-Darstellerin Nichelle Nichols - ab dem Zeitpunkt nämlich, als diese im bereits erwähnten The Lieutenant eine Nebenrolle übernommen hatte.

Eine solche Rolle hatte auch Majel Leigh Hudec, die spätere Majel Barrett-Roddenberry und Darstellerin der Schwester Chapel bei Star Trek, sodass Roddenberry noch vor der großen Science-Fiction-Serie zwei galaktische Affären parallel am Laufen hatte.

Schließlich zog sich Nichols zurück, weil sie nicht "die andere Frau in Bezug auf die andere Frau" sein wollte. Roddenberry ließ sich von seiner ersten Ehefrau scheiden und heiratete Majel Barrett, die sehr wohl um die Umtriebigkeit ihres Gatten wusste und dies zähneknirschend hinzunehmen bereit war.

Shatner und Nimoy an der Seite von Majel Barrett, Gene Roddenberrys Ehefrau Quelle: Paramount Shatner und Nimoy an der Seite von Majel Barrett, Gene Roddenberrys Ehefrau So begann Roddenberry ab Mitte der 70er eine erneute außereheliche Liebesbeziehung mit seiner persönlichen Assistentin Susan Sackett - mehr ein offenes Geheimnis als eine klandestine Liaison, immerhin währte sie bis an sein Lebensende. Nach Roddenberrys Tod veröffentlichte Sackett ein Tell-all-Buch mit dem Titel "Inside Trek: My Secret Life with Star Trek Creator Gene Roddenberry".

Ich selbst habe es nie vollständig gelesen, doch Simon Fistrich, mein Co-Moderator beim gemeinsamen Podcast Trek am Dienstag, wagte sich an das Machwerk im Rahmen einer längeren Recherche zu Roddenberrys einhundertstem Geburtstag. Bis heute wirft Simon mir vor, dass er dabei mehr Dinge über "Roddenberrys kleinen Roddenberry" erfahren musste, als ihm lieb war.

Wie Substanzmissbrauch und sexuelle Gelüste Roddenberrys ineinander ragten, zeigt sich am ehesten in einer Begebenheit, als im Jahr 1987 Next-Generation-Autor Tracy Tormé in Roddenberrys Büro gerufen wurde, damit die beiden über seinen Story-Vorschlag Genius Is Pain sprechen konnten.

Zum eigentlichen Inhalt der Geschichte gelangte das Gespräch nie, denn Gene blieb beim Titel hängen und verfiel in einem langen, wohl von Alkohol geschwängerten Monolog, in dem er versuchte, zu erklären, was für ihn Genuss und was Schmerz darstellte, dass Frauen generell die Wurzel seines Schmerzes wären, und ass es sein größter Genuss wäre, wenn große Wellen von [ZENSIERT] aus ihm heraus explodierten.

Letzteres schrie Roddenberry beinahe, heißt es. Tormé war danach einigermaßen baff, Roddenberry für einige Momente benommen und machte dann weiter, als wäre nichts gewesen.

Roddenberry 11: Jäger des verlorenen Geistesblitzes (Brachland der 70er)

Nach dem Ende der Originalserie im Jahre 1969 brauchte Gene Roddenberry dringend eine neue Einnahmequelle und Beschäftigung; Autogramme, Anstecker und Fotos per Post zu verschicken - das konnte nicht alles sein.

Außerdem musste er jetzt schon das Fundament für sein Vermächtnis gießen, denn er wollte nicht bloß der Vater von Star Trek sein, sondern generell in die Geschichte eingehen als der geniale Schöpfer vieler verschiedener Science-Fiction-Serien im Fernsehen.

Doch so wie Frank Elstner allen Anstrengungen zum Trotz immer "der Erfinder von Wetten, dass..?" sein wird, so waren auch Roddenberrys weitere Bemühungen in den 70ern vergleichbar mit Elstners spektakulär gescheiterter Samstagabendshow Nase vorn (die Älteren erinnern sich womöglich noch).

Im März 1973 lief der Fernsehfilm Genesis 2 aus der Feder Roddenberrys, geplant als Pilotfilm einer Serie. Die Handlung: Ein NASA-Astronaut lässt sich im Jahr 1979 einfrieren und erwacht erst im 22. Jahrhundert wieder, als die Erde bereits einen dritten Welt- und Atomkrieg hinter sich hat.

Der Astronaut gerät in dieser postapokalyptischen Zukunft mit einem totalitären Regime aneinander, das Arizona und New Mexico unter seiner Kontrolle hat. Dieses Fernsehprojekt erinnert nicht von ungefähr an Planet der Affen, nur eben ohne die Affen.

Genesis 2 war dem Planeten der Affen ein wenig zu ähnlich und wurde als Planet Earth recycelt. Quelle: Warner Genesis 2 war dem Planeten der Affen ein wenig zu ähnlich und wurde als Planet Earth recycelt. Zur etwa gleichen Zeit zeigte der Sender CBS just diesen Science-Fiction-Kinoklassiker aus dem Jahre 1968 und stellte fest, dass die Primaten deutlich höhere Einschaltquoten erzielten als der Roddenberry-Fernsehfilm. Das Projekt war also abgesagt, stattdessen gab es eine schnell zusammengeschusterte Fernsehserie zum Planeten der Affen, die jedoch nach nur 14 Episoden mangels Erfolgs ebenfalls eingestellt wurde.

Das gleiche Konzept wie Genesis 2 mit anderem Hauptdarsteller und einer leicht abgewandelten Story - der Langschläfer findet sich in der Zukunft in einem Matriarchat wieder, angeführt von Doctor-Pulaski-Darstellerin Diana Muldaur - verkaufte Roddenberry nur ein Jahr später als Planet Earth an den Konkurrenzsender ABC - mit einer vernichtenden Einschaltquote, eine weitere TV-Totgeburt.

Herrlich abgefahren geriet dann im Jahr 1977 der Pilotfilm-Versuch Spectre, worin es um eine Art okkulten Sherlock Holmes geht, der Dämonen jagt. Hier blieb der Erfolg ebenfalls auf ganzer Linie aus, auch wenn es Spectre kurioserweise in Großbritannien ins Kino schaffte.

Die größte Strahlkraft unter den diversen gescheiterten Piloten dürfte jedoch The Questor Tapes gehabt haben. Hauptcharakter ist der titelgebende Questor, ein auf der Erde von einer fremden und einflussreichen Macht stationierter Androide mit menschlichem Sidekick, der darauf aufpassen soll, dass die Menschheit sich im krisengeschüttelten 20. Jahrhundert nicht selbst vernichtet.

Im Kern ist die Geschichte eine Neuauflage von Assignment: Earth (Ein Planet, genannt Erde), dem Finale der zweiten Staffel der Originalserie, nur dass es darin um einen außerirdischen Geheimagenten geht und nicht um einen Roboter. Schon diese Episode sollte 1968 als Hintertür-Pilotfilm dienen, schaffte es aber nicht.

Questers Besonderheit war, dass er einen Anti-Spock darstellte. Der Vulkanier wollte stets seiner menschlichen Seite entsagen, doch der Androide wünscht sich nichts sehnlicher, als selbst Mensch zu sein, um ein Teil der Gesellschaft zu werden und an ihrer emotionalen Wahrnehmung teilhaben zu können.

Weil aus The Questor Tapes nichts wurde, mutierte Questor zum Vulkanier Xon in der Mitte der 70er geplanten, zweiten Star-Trek-Serie Phase 2. Anders als Spock wollte sich auch Xon lieber an menschlichen Gefühlen orientieren und mehr davon spüren.

Doch dieser zweite Star-Trek-Versuch mutierte aufgrund des Erfolgs von Star Wars noch in der Konzeptphase zum ersten Kinofilm Star Trek: The Motion Picture, in welchem Leonard Nimoy als Spock zurückkehrte.

Weil somit aus Xon nichts wurde, Gene Roddenberry ein gutes Konzept aber niemals wegwerfen, stattdessen viel eher mehrfach verwenden würde, erschien in Form des Androiden Data im Jahr 1987 dann doch noch ein Ableger des Questor auf den Fernsehschirmen.

Bildergalerie

Roddenberry 12: Guru

Was tut ein Roddenberry, wenn er in den 70ern fernsehmäßig keinen Fuß mehr an die Erde bekommt? Er denkt zurück an seine Autorenfreunde und ihre ernst zu nehmenden Science-Fiction-Conventions, aber auch daran, dass Asimov, Bradbury und Co. gerne einmal von Universitätscampus zu Universitätscampus reisten, um die Studierenden dort von ihrer visionären Weisheit schmecken zu lassen.

    • Kommentare (4)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von jensmachwitz_88 Anwärter/in
        Also wenn mal Artikel erscheinen die mit Games nix zu tun haben aber durchaus gelungen und lesenswert sind, dann ganz genau dann sind es diese schönen Star-Trek-Perlen. Ist aber leider eine absolute Ausnahme hier. Die reißerischen Kino-Artikel sind ja wirklich unterirdisch...
      • Von jensmachwitz_88 Anwärter/in
        Also wenn mal Artikel erscheinen die mit Games nix zu tun haben aber durchaus gelungen und lesenswert sind, dann ganz genau dann sind es diese schönen Star-Trek-Perlen. Ist aber leider eine absolute Ausnahme hier. Die reißerischen Kino-Artikel sind ja wirklich unterirdisch...
      • Von Falconer75 Hobby-Spieler/in
        Eine absolute Perle, dieses zweiteilige Special. Unglaublich kompetent und gut geschrieben. Großartig.
      • Von Loosa Senior Community Officer
        Da fällt mir ein grandioser Strip von The Oatmeal ein. Was eine Persönlichkeit!
        [Ins Forum, um diesen Inhalt zu sehen]
      • Von 08-of-15 Anfänger/in
        Ein sehr erhellender und vor allem informativer Beitrag.
        Gene Roddenberry als Mensch scheint zum Teil auch wieder einmal ein Argument für die Trennung zwischen Kunst und Künstler zu sein.
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