Momentan tut Netflix anscheinend alles dafür, um die Chancen auf einen Oscar zu erhöhen: Das Gangster-Epos "The Irishman" ist die bisher größte Produktion des Streaming-Service - gemessen an den zahlreichen Kinosälen, in denen der Film seit Anfang November weltweit gezeigt wird. Findet also letztlich doch eine Annäherung zwischen Stream und Kino statt?
Die Debatte zwischen Netflix und den Kinos dieser Welt ist kein neues Thema. Schon seit längerem wird der Streaming-Anbieter dafür kritisiert, einerseits durch seine exklusiv auf der Plattform verfügbaren Filme dem Kinogeschäft zu schaden und andererseits Produktionen auf die Leinwand zu bringen, die für den Zuschauer vor dem Fernseher zuhause und nicht für das Kino gemacht sind, um sich mit diesen Filmen im TV-Format für eine Oscar-Nominierung qualifizieren zu können. Zusätzlich waren bisherige Netflix-Filme wie "Roma" von Alfonso Cuarón nur in ausgewählten Kinos zu sehen, und dann auch meistens nur für einen sehr kurzen Zeitraum - schließlich möchte Netflix Film- und Serienfans nicht ins Kino locken, sondern neue Nutzer gewinnen.
Mit Scorseses dreieinhalbstündigem Streifen "The Irishman" scheint sich der Streaming-Dienst zunächst mehr auf die Interessen der Kinogänger einzustellen. Laut Hollywood Reporter lief noch keine Netflix-Produktion in so vielen Kinos weltweit, besonders in den UK, Italien und asiatischen Ländern wie Japan und Südkorea ist der Film in zahlreichen Lichtspielhäusern zu sehen. Der Grund hierfür: Zum einen gibt es immer mehr Kinobetreiber, die mit Netflix Frieden schließen, zum anderen möchte der Streaming-Dienst bessere Chancen durch ein größeres Kinopublikum auf einen Oscar erhalten. Informationen zu den Einspielergebnissen von "The Irishman" werden allerdings weiterhin unter Verschluss gehalten.
Jedoch gibt es immer noch Kinos, die sich gegen das Screening von "The Irishman" weigern. Während vor allem in Deutschland argumentiert wird, dass die Zeitspanne zwischen Kinorelease und Verfügbarkeit zum Streaming immer noch zu kurz und somit die Aufnahme des Films in das Kinoprogramm nicht profitabel ist, läuft das Mafia-Epos in keinem einzigen Kino in ganz Frankreich - hier muss nämlich ein Abstand von 30 Tagen zwischen dem Kinostart eines Films und weiteren Veröffentlichungen wie Stream, Blu-ray oder DVD liegen. Zusätzlich seien die Tickets - vor allem in den USA - durch die lokale Beschränkung auf ausgewählte Kinos entweder wesentlich teurer als für andere Filme, oder schlichtweg nicht verfügbar, sollte man nicht die Möglichkeit besitzen, in die nächstgrößere Stadt zu fahren, in der Netflix-Produktionen gezeigt werden.
Eine Lösung der Debatte ist also in nächster Zeit noch nicht in Sicht. Scott Stuber, Chef von Netflix, wünscht sich allerdings eine größere Diskussionsbereitschaft von Seiten seiner Kritiker: "Wenn alle nur ruhig blieben und man das Ganze durchsprechen würde, werden wir im Laufe der nächsten Jahre in der Lage sein, eine gute Lösung für alle zu finden."
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