Fast & Furious 10 und ich: Ein verdummendes Kinoerlebnis - Filmkritik

Lauwarm und feucht drückt sich die mittlerweile mit Erbrochenem gefüllte Popcorn-Tüte an meinen Oberschenkel. Langsam rinnt mir geschmolzene Hirnmasse aus dem Ohr und tröpfelt in Zeitlupe auf meine Schulter. Meine Augen kleben derweil in Schockstarre an der Leinwand, auf der gerade die After-Credit-Scene von Fast & Furious 10 läuft. Hinter mir vernehme ich leise durch das Dickicht des sich anbahnenden Wahnsinns in meinem Kopf die quakenden Stimmen der ca. 13-jährigen Jungs zwei Sitzreihen hinter mir: "Das war's?!" "Nee, das kann nicht das Ende sein!" "Guck doch, das Licht ist an!" "So ne Scheiße!" Doch wie konnte es so weit kommen? Um diese Frage zu beantworten, springen wir gute zweieinhalb Stunden zurück.

Kein guter Trash

Ich hieve meinen teigigen Kellerkindkörper aus dem Wagen und laufe durch den an diesem Tag offenbar unaufhörlichen Regen im südlichen Sauerland über den Parkplatz direkt auf das Lichtspielhaus zu, in dem ich mir zwecks einer Rezension den neuen Teil der Fast-&-Furious-Reihe ansehen soll. Ich versuche kurz die vorangegangenen Filme, von denen ich tatsächlich einige gesehen habe, Revue passieren zu lassen und stelle dabei fest, dass ich sie kaum noch ihrer Nummerierung zuordnen kann. Alles ist ein Brei.

Immerhin erinnere ich mich an verschiedene Schlüsselszenen: Autorennen, vollkommen überzogene und teils spaßige Action, Explosionen, Kämpfe auf Eis, Abstecher in den Weltraum, ganz viele Barbecues, bei denen die Protagonistengruppe sich als Familie bezeichnet.

Lediglich das Spin-off Hobbs & Shaw mit Dwayne Johnson und Jason Statham in den Hauptrollen kann ich genau zuordnen, weil ich den Film tatsächlich richtig gerne mag. Der Streifen ist komplett bescheuert, funktioniert meiner Meinung nach aber hervorragend, da er das bietet, was vielen Teilen der normalen Reihe so oft fehlt: Selbstironie.

Sowas kann The Rock natürlich super rüberbringen. Aber auch wenn die anderen Parts ihre Schlockigkeit weniger zelebrierten, hatte ich in der Vergangenheit durchaus immer mal Spaß mit Fast & Furious. Zwischen blödem Gelaber kommen schließlich immer wieder herrlich doofe Over-the-Top-Action-Szenen.

Quelle: Universal Pictures Fast & Furious 10 in der Filmkritik (1) Ach ja, die Truppe rund um Vin Diesel sind ja jetzt auch so eine Art Geheimagenten im Dienste der ominösen Agency, fällt mir ein. Überhaupt sollte ich Fast 10, wie der Film im Original heißt, folgen können, schließlich steht die Reihe ja nicht unbedingt für ausgeklügelte Plots und nachvollziehbare Charakterentwicklung.

Der Trailer sah außerdem auch wunderbar trashig aus. Jede Menge Krawumm, Brumm Brumm und ein Jason Momoa, der offenbar richtig Bock hat, den Bösewicht zu spielen. Könnte also witzig werden.

Schließlich bereitet es mir ja auch große Freude, mich mit einem Kumpel und etwas Alkohol durch das Portfolio der legendären Shitfilmschmiede Cannon zu arbeiten. Und schlimmer als das gelangweilte, ausdruckslose Spiel von Chuck Norris in Invasion USA kann es ja nun wirklich nicht werden.

Dennoch habe ich irgendwie ein schlechtes Gefühl, als ich die Lobby des Kinos betrete. Ich denke noch, dass es wenigstens Montagnachmittag ist und daher wohl niemand sehen wird, dass ich mir eine Karte für den Film einer Reihe kaufe, die ich im vorurteilsbehafteten Teil meines Hirns mit Dorfproleten assoziiere, die samstagabends auf dem Burger-King-Parkplatz ihre amateurhaft getunten Polos vorführen, während krachig irgendein Schundsong der Blöden Onkelz aus den Boxen der Karren dröhnt. Ich versuche das abzuschütteln, denn ich schau mir den Film ja für die Arbeit an.

Quelle: Universal Pictures Und ich kann den ja ironisch schauen, so aus Kritikersicht. Und wenn man sagt, dass man sich etwas ironisch ansieht, kann man sich schließlich ohne Scham den größten Mist geben. Ich gucke ja auch gerne Dschungelcamp und freue mich, wenn das Knalltüten-Duo Gigi und Cosimo Pizza frisst, wohlwissend, dass die anderen Insassen im Bekloppten-Lager hungern. Aber weil ich ironisch schaue, darf ich das.

Ungesehen komme ich aber nicht ins Kino, denn vor mir bestellt sich gerade eine Gruppe 13- bis 14-jähriger eine Lastwagenladung Süßkram und Soft Drinks, und da gerade keine andere Vorstellung ist, weiß ich genau, dass die Jungs, die allesamt die gleiche Durchschnittsbundesligaprofifrisur tragen, mit mir im Saal sitzen werden.

Hoffentlich halten sie während des Films wenigstens die Klappe, denke ich mir, ordere mein Ticket, zahle und versuche, den leicht abschätzigen Blick der Kartenfrau, weil ich nachmittags(!) alleine(!!) in Fast & Furious(!!!) gehe, nicht zu bemerken.

Kurz nachdem ich auf meinem Sitz Platz genommen habe, geht auch schon das Licht aus, der Vorhang öffnet sich und Werbung läuft. Die Kids zwei Reihen hinter mir schwatzen aufgeregt. Noch ist mir das wurscht, aber wehe, wenn der Film losgeht! Ich möchte schließlich den geistigen Ergüssen von Hollywoods Edelfedern aus den Mündern solch renommierter Charaktermimen wie Vin Diesel, Michelle Rodriguez oder Ludacris hören.

Zwischen den Trailern zu neuen Kinostarts (Eko Fresh spricht einen CGI-Hund) wird auch regionale Reklame gesendet. Als gerade drei rundliche Frauen über die Leinwand tanzen und ihr Reisebüro bewerben, rufe ich mir noch mal kurz die Fakten zu Fast 10 ins Gedächtnis:

• Laufzeit: ca. 140 Minuten
• Regie: Louis Leterrier (The Transporter, Kampf der Titanen, Der unglaubliche Hulk, Die Unfassbaren)
• Drehbuch: Dan Mazeau, Justin Lin, Gary Scott Thompson
• Gut: Vin Diesel, Michelle Rodriguez, der Rest der "Familie"
• Böse: Jason Momoa und seine Handlanger
• Fast & Furious 11: Bereits angekündigt
• Fast & Furious 12: Wird gerüchtet

Der Film startet und die Jugendlichen hinter mir sind ruhig. Meine Boomer-hafte Präsenz hat sie wohl eingeschüchtert. Gut so. Nachher erstmal noch ein paar Kinder vom Rasen jagen.

Quelle: Universal Pictures

Laaaaangweiliiiiig!

Fast & Furious 10 startet mit einem Rückblick auf das Finale von Fast Five. Dominic Toretto (Vin Diesel) und sein bester Kumpel und Schwager Brian O'Conner (Paul Walker) beklauen den Drogenbaron Hernan Reyes.

Allerdings ist jetzt Jason Momoa als Reyes' Sohn Dante dabei. Der muss dann auch erleben, wie sein Papa den Löffel abgibt. Sehr traurig, schließlich sagt ihm Vati kurz zuvor noch, dass er der Einzige ist, der Dante nicht als Freak ansieht. Und jetzt ist diese herzliche Vater-Sohn-Bindung einfach so beendet.

In der Gegenwart bringt Dominic seinem kleinen Sohn erstmal Autofahren bei und danach gibt es natürlich ein Barbecue mit der Familie, bei dem gesagt wird, dass die Familie sehr wichtig ist und die Familie unbedingt zusammenhalten muss.

Überhaupt wird während der Laufzeit andauernd von Familie gesprochen: "Die Familie ist das Wichtigste", "Die Familie ist für immer", "Ich will die Familie leiden sehen", "Er will die Familie leiden sehen", "Wir müssen die Familie zusammenbringen" ... Ich glaube, es geht um Familie, aber so ganz sicher bin ich mir nicht.