Return to Moria, Gollum und Co.: Warum sind neue Herr-der-Ringe-Spiele so seltsam?
Ein Survival-Abenteuer im Stil von Sons of the Forest, ein Cozy-Game, eine Kartenspiel-Adaption und was auch immer Der Herr der Ringe: Gollum gewesen ist: Jüngere Videospiele aus Mittelerde sind in Präsentation und Gameplay ordentlich divers. Wo Franchises wie Star Wars und Harry Potter auf konservative Action-Adventure-Kost setzen, gehen die aktuellen Pächter von Tolkiens Erbe häufig andere Wege. Was steckt dahinter?
Letztes Jahr erwarb die Embracer Group die Lizenz zur Entwicklung von Spielen im Herr-der-Ringe-Universum für umgerechnet rund 400 Millionen Euro. Verglichen mit dem geschätzten Wert der Marke galt dieser Preis zwar als überaus fair, bei solchen Unsummen muss sie für den neuen Lizenzhalter aber auch wirklich hohe Gewinne abwerfen. Neben Herr der Ringe: Gollum (unser Test) und dem kürzlich erschienenen Return to Moria soll laut der Firma daher demnächst noch eine Vielzahl weiterer Mittelerde-Spiele auf den Markt kommen, darunter auch ein gigantisches MMO von Amazon Games und das auf der Welt der Filme basierende Tales of the Shire, das bei Weta Interactive in Neuseeland entsteht. Was das Konglomerat darüber hinaus mit der Welt von J.R.R. Tolkien vorhat, ist noch nicht bekannt, lädt aber natürlich zum Spekulieren ein. Insbesondere, weil sich das Multimedia-Franchise, das aus der Buchreihe gemacht wurde, in einer interessanten Position befindet.
Warner Bros. will in den nächsten Jahren neue Kinofilme im Herr-der-Ringe-Universum produzieren, darunter der Animationsfilm War of the Rohirim mit Brian Cox. Bis es soweit ist, bleibt aber Amazons Serie Die Ringe der Macht, die 2024 weitergehen soll, vorerst das kostspieligste Projekt seit dem Release der Peter-Jackson-Trilogie.
Im Videospielbereich gab es hingegen zuletzt dieses Jahr einen frischen Ableger mit Der Herr der Ringe: Gollum, der zwar mit einer eigenartigen Prämisse auf sich aufmerksam machte, diese jedoch nicht mit passenden Ideen oder technischem Know-How untermauern konnte. Der Titel erwies sich als katastrophaler Flop und besiegelte obendrein das Ende des deutschen Kultentwicklers Daedalic Entertainment. Das letzte erfolgreiche AAA-Herr-der-Ringe-Spiel war Schatten des Krieges im Jahr 2017, seitdem wurde außer Gollum nur noch das Kartenspiel Lord of the Rings: Adventure Card Game veröffentlicht.
Quelle: Fantasy Flight Interactive
Die vielen Herren von Herr der Ringe
Als Fan der Bücher und Filme ließen mich die letzten Abenteuer in Mittelerde erstaunlich kalt. Die Amazon-Serie strotzt zwar vor schicken Kostümen und teurem CGI, sieht merkwürdigerweise aber künstlicher aus als die Filme vor 20 Jahren. Mit den Dialogen wurde offensichtlich krampfhaft versucht, Tolkiens Prosa zu imitieren. Das Ergebnis sind mäandernde Gespräche voller aufgeblasenem Nonsens, die nicht geführt, sondern vorgetragen werden. Kein Wunder, dass nicht mal die Hälfte des Publikums bis zum Ende durchgehalten hat.
Das Silmarillion ist mit seinen verschiedenen Geschichten und Mythen eher vergleichbar mit einem breit gefächerten religiösen Text als einem Roman mit Anfang, Mitte und Ende. Das heißt zwar nicht, dass die Vorgeschichte zum Herrn der Ringe komplett unverfilmbar ist, als Grundlage für eine TV-Serie, die die gleiche, leicht nachvollziehbare Erzählstruktur haben soll wie die Geschichte der Gefährten, eignet es sich aber kaum.
In den Videospielen von Monolith dreht sich hingegen alles um eine neue Figur, den Waldläufer Talion. Dessen Abenteuer spielen ebenfalls sehr nah an den Ereignissen des Hauptwerks und enthalten bekannte Figuren wie Gollum, Kankra und Isildur. Statt eine unabhängige Geschichte zu erzählen, wird Talions Schicksal mit dem von Mittelerde verwoben und er zu einem Big Player im Vorfeld des Ringkrieges erhoben. Eine Entscheidung, die nicht nur bei Tolkien-Puristen für Unmut sorgte. Viele Fans monierten, dass die Geschichte der "Shadow of"-Reihe zu sehr an Fan-Fiction erinnere als an ein Abenteuer im Geist der Vorlage.
Quelle: PC Games Womit wir bei einem der Gründe wären, warum es keine etablierte Erfolgsformel für Herr-der-Ringe-Spiele gibt und die kommenden Ableger so unterschiedlich in ihren Ansätzen sind:
Spätestens durch die megaerfolgreiche Filmtrilogie sind die meisten Menschen mit der Geschichte der Bücher vertraut. Sie noch einmal in Videospielform zu erzählen, hat in der Vergangenheit zwar schon häufig gut funktioniert, ist aber irgendwann auch nicht mehr so wahnsinnig spannend. Darum wurde bereits früh von diversen Studios versucht, stattdessen Geschichten um den Ringkrieg herum zu schreiben, darunter z.B. Der Krieg im Norden oder die eben genannten Titel von Monolith.
Frodo, Aragorn, Poochie
Das Problem, das aus dieser Entscheidung resultiert, ist, dass die neuen Figuren irgendwie organisch in den dichten Tolkien-Kanon eingeflochten werden müssen, woraus sich dann solche Fan-Fiction-Vorwürfe ergeben. Wenn wir als neuer Charakter Steve, der Ranger gegen Saurons Schergen kämpfen und dabei Figuren wie den Hexenkönig von Angmar oder einen Balrog besiegen, schmälert das schon ein wenig die Leistung der Helden aus dem Herrn der Ringe. Wenn Steve dann auch noch irgendwie involviert war, die Ringe zu schmieden oder verantwortlich ist für die Befreiung von Gollum oder die Zeugung von Arwen oder sonst irgendwas, bekommt man den Eindruck, dass die ursprüngliche Story zwar nicht verändert, aber durch die Zusätze in einen anmaßend größeren Kontext gesetzt wird.
Siehe hier