Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby

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Test Maci Naeem Cheema - Redakteur
Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby
Quelle: Paramount Pictures

Oscar-Regisseur und Hollywood-Liebling Damien Chazelle will mit dem ambitionierten Mega-Epos Babylon die Stummfilmära und den Sprung zum Tonfilm einfangen und setzt dabei auf zügellose Dekadenz, exzessive Festlichkeiten und eine emotionale Überflutung, der nicht jeder standhalten wird. Warum der Mix aus The Great Gatsby und dem von Chazelle selbst kreierten Musical La La Land Kinopflicht ist, klären wir in unserer ausführlichen Filmkritik.

Weiter geht's mit der zweiten Hauptfigur in Babylon, der bildhübschen und erfolgshungrigen Schauspielerin Nellie LaRoy (Margot Robbie), die gleich zu Beginn aufgrund ihres zügellosen Auftretens und eindrucksvollen Schauspiels für Aufsehen sorgt. Dabei dient die junge Amerikanerin als Symbol und Verkörperung des Reizes der Traumfabrik. Nellie will unbedingt an die Spitze und geht dabei mit solch einem Ehrgeiz ans Werk, dass es selbst etablierte und mächtige Männer wie den von Brad Pitt verkörperten Schauspieler Jack Conrad aus den Lederschuhen haut. Der dient übrigens eher als eine Nebenfigur, dabei gilt Jack als der unangefochtene Star in Chazelles Hollywood. Was Jack jedoch bewusst werden muss: Eine Zeitenwende steht bevor, und die macht selbst vor Legenden keinen Halt.

Zum dritten geht es um den begabten Musiker Sidney Palmer (Jovan Adepo), der trotz unbestreitbaren Talents am Rande der Festlichkeiten und Machtkämpfe versauert. Die Filmindustrie, die Chazelle uns im ersten Drittel des Films präsentiert, wird sich durch die Umwandlung zum Tonfilm gehörig ändern, und das hat natürlich enormen Einfluss auf die Protagonisten der Ära, Sidney inbegriffen. Was die drei Hauptfiguren von Babylon miteinander verbindet, ist die Leidenschaft, die sie für ihre Ziele und Träume aufbringen und die Sehnsucht nach einer Welt, die ihnen gehören könnte.

Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (4) Quelle: Paramount Pictures Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (4) Was Sidney von den anderen Hauptfiguren abhebt, ist offensichtlich: Ob es nun unterschwelliger Rassismus ist, der sich in Hollywood als "notwendiges Übel des bunten Spiels" tarnt, oder die herablassende Oberklasse, die Sidney nicht als den Mann sieht, der er ist, sondern nur, als was sie ihn sehen will.

Das ist natürlich längst nicht alles. Aber wenn wir auf jedes Detail eingehen würden, dann läge die Absprungrate beim Lesen des Artikels bei ungefähr 100 Prozent, da er schlicht zu lange ausfallen würde. Babylon glänzt mit einem riesigen Schauspielensemble, mit großen und kleinen Namen, die alle ihren Teil zum bombastischen Emotions-Feuerwerk beitragen. Ob es der sadistische James McKay (Tobey Maguire) ist, der uns in das "Arschloch von Los Angeles" führt (mehr verraten wir nicht) oder die verführerische Fay Zhu (Li Jun Li), die eine intime Performance zum Thema Geschlechtsteile ihrer Geliebten vollführt - Babylon hat viel zu bieten. Vielleicht sogar ... zu viel?

Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (8) Quelle: Paramount Pictures Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (8)

Wie viel Rausch ist zu viel?

Babylon kommt für manche einer Offenbarung im alltäglichen Kinomeer an Franchise- und Popkultur-Produktionen gleich, doch ebenso kann der vierte Spielfilm von Chazelle aufgrund der vielen Eindrücke, der überfordernden Struktur oder der langen Laufzeit zur Enttäuschung werden. Ein Grund dafür dürfte auch der Fokus des Streifens sein. Statt sich auf Personen und deren Gefühle zu konzentrieren, spielt der bejubelte Regisseur lieber mit dem großen Ganzen. Dabei sind ihm zwei Punkte besonders wichtig: die Liebe zum Medium Film und die zügellose Branche, die im Hintergrund und mit viel Chaos, Schamlosigkeit und Prunk Leinwandzauber erschafft.

Dabei kritisiert Chazelle selten, kommentiert die Gewohnheiten des alten Hollywoods nicht und verfolgt primär das Ziel, beiden Facetten der Traumfabrik, die unmöglich voneinander zu trennen sind, Raum zur Entfaltung zu geben. Wem visuelle Verspieltheit und Schönheit im Durcheinander wichtiger sind als ein hervorragendes Drehbuch mitsamt starken Aussagen, für den zündet Babylon ein Spaß-Feuerwerk, an dem man sich kaum sattsehen kann. Wer hingegen Tiefe will, clevere Dialoge (die hat Babylon auch, sie sind aber kein Hauptelement) oder gar eine Charakterstudie im Stile von Whiplash, der findet sich eher zwischen Schall und Rauchen wieder statt in einem Strudel der Emotionen.

Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (13) Quelle: Paramount Pictures Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (13)

Pure Magie: Wer das Duo Chazelle/Hurwitz mag, der wird Babylon lieben

Abschließend möchten wir über das größte Leuchtfeuer von Babylon sprechen: die irrsinnig mitreißende Kombi aus Damien Chazelle und Schulfreund Justin Hurwitz. Letzterer begleitet den Filmemacher nun schon lange und ist stets verantwortlich für die Musik. Die beiden waren nicht nur gemeinsam in einer College-Band, sie formten zusammen den Traum vom Filmemachen, der seinen ersten Höhepunkt in Form von La La Land erreichte.

Klar, Whiplash war bereits ein massiver Erfolg und selbst der Studentenfilm der beiden, Guy and Madeline on a Park Bench (2009), heimste viel Lob und Liebe ein. Die oberste Liga erreichten sie aber erst mit ihrem Meister-Musical. Neben Chazelle wurde auch Justin Hurwitz übrigens mit einem Oscar ausgezeichnet - für die beste Filmmusik. Babylon ist ein weiterer, eindrucksvoller Beweis, dass es Menschen gibt, die schlicht zusammengehören.

Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (2) Quelle: Paramount Pictures Babylon in der Filmkritik: Eine Bildgewalt, der nicht jeder standhalten wird - La La Land trifft Gatsby (2)

Hurwitz arbeitete ganze drei Jahre an der Musik zum Film und erkannte früh: Sich auf Jazz-Musik der 20er-Jahre zu fokussieren, steht der wilden Vision von Chazelle und dem feuchtfröhlichen Skript im Weg. Der ebenfalls 38-jährige Komponist erschuf daraufhin einen großartigen Jazz-Soundtrack, der sich an allerlei modernen Elementen der Electro- und Pop-Musik bedient und den Film perfekt untermalt.

Die wundervollsten Momente in Babylon sind nicht etwa intime Augenblicke, in denen Brad Pitt seine Schauspielkunst offenbaren darf oder in denen Margot Robbie uns einen tiefen Einblick in die Psyche einer Frau spendiert, die zum Sexsymbol degradiert wurde. Es sind Filmszenen, in denen Chazelle uns künstlerische und überromantisierte Fieberträume offenbart, während Hurwitz' Jazz uns durch eindrucksvolle Mega-Kulissen jagt.

Dabei gilt: Babylon wird nicht jedem gefallen. Wer jedoch das Kino zu seinem Zuhause zählt, der sollte eintauchen in den Wilden Westen der 20er-Jahre. In ihrer besten Form sind Filme nun mal speziell und eine Frage des Geschmacks, keine universellen "People-Pleaser". Davon gibt's ja heutzutage auch genügend.


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Jetzt seid ihr gefragt: Habt ihr den imposanten Party-Epos Babylon schon gesehen? Konnte euch der neue Chazelle-Film auf eine ähnliche Art mitreißen oder hat euch das 189-minütige Werk überfordert oder gar kaltgelassen? Und wie steht ihr zu den restlichen Filmen des Regisseurs? Was ist euer liebster Chazelle-Film? Schreibt uns eure Gedanken zum Thema in die Kommentare.

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