Kontroverse um Atomic Heart: Die große Analyse - Was Kritiker, Entwickler und das Spiel sagen

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Special Stefan Wilhelm - Redakteur 53,99 €
Kontroverse um Atomic Heart: Die große Analyse - Was Kritiker, Entwickler und das Spiel sagen
Quelle: Mundfish

Die Kontroverse um Atomic Heart ist auch nach dem Release des Shooters nicht abgeflaut. Es stehen brisante Vorwürfe im Raum: Das Spiel sei mit russischen Staatsgeldern erschaffen worden, die Gewinne würden direkt in Putins Kriegskasse fließen und jeder, der die Website des Entwicklers besucht, würde seine Daten dem russischen Inlandsgeheimdienst spenden. Wir haben uns durch den Berg an Informationen und Vorwürfen gewühlt und liefern euch eine umfassende Analyse. Wie viel bleibt von der Kontroverse übrig?

Das Spielejahr 2023 ist gerade einmal zwei Monate alt und hat bereits zwei große Aufregerthemen hervorgebracht: Neben Hogwarts Legacy, bei dem weniger das Spiel, sondern die Autorin hinter dem zugrundeliegenden Franchise im Fokus stand, hat auch Atomic Heart ordentlich Buzz generiert - und generiert ihn immer noch. Bis vor einem Jahr hätte wohl kaum jemand einen Anlass gesehen, die Hintergründe des Ego-Shooters und seines Entwicklerstudios akribisch zu beleuchten. Seitdem Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angegriffen hat, sind sich viele Spieler und Kritiker aber nicht mehr sicher, was von dem Ego-Shooter im Soviet-Setting und dem größtenteils russischen Team dahinter zu halten ist.

Spätestens mit der Veröffentlichung des Videos "Please, Don't Buy Atomic Heart" des ukrainischen Youtubers Harenko ist das Thema in der Gaming-Öffentlichkeit angekommen. In wenigen Tagen generierte das Video-Essay über 1,5 Millionen Klicks und zog dabei etliche Antworten und Einschätzungen in Text- und Videoform nach sich. Während wir uns in unserem Test zu Atomic Heart dazu entschieden haben, ausschließlich die spielerischen und erzählerischen Qualitäten zu bewerten, möchten wir euch in diesem Artikel einen Überblick geben, was dem Spiel konkret vorgeworfen wird.

Unser Ziel ist dabei nicht, euch in irgendeiner Form den moralischen Zeigefinger vorzuhalten, sondern euch eine möglichst informierte Kaufentscheidung zu ermöglichen. Alle Quellen findet ihr an den entsprechenden Stellen im Artikel verlinkt.

Quellen in anderen Sprachen als Deutsch und Englisch wurden bei der Recherche maschinell ins Deutsche übersetzt. Bei Bildern haben wir Google Lens zur Übersetzung benutzt.

Hinweis: Mittlerweile ist eine Stellungnahme von Mundfish zu den größten Vorwürfen auf der Website des Entwicklers aufgetaucht. Die Aussagen haben wir in diesem Artikel für euch zusammengefasst.

32:43
Die Akte Atomic Heart | Was Kritiker, Entwickler und das Spiel aussagen

1. Die Investoren - Profitiert die russische Gasindustrie vom Spiel?

Atomic Heart (jetzt kaufen 43,99 € / 53,99 € ) ist, neben einem eingestellten VR-Spiel namens Soviet Lunapark, das erste große Projekt des Studios Mundfish, das 2017 gegründet wurde. Schon seit dem ersten Trailer war klar: Ein kleines Indie-Projekt, das von ein paar Enthusiasten sozusagen in der heimischen Garage entwickelt wird, würde Atomic Heart nicht werden.

Von vornherein war die Vision, einen großen, aufwendigen Ego-Shooter mit moderner Technik auf die Beine zu stellen, und das verlangt nach einem ordentlichen Budget. Wie viel Geld die fünf Jahre dauernde Produktion von Atomic Heart verschlungen hat, ist nicht bekannt. Das Team konnte aber insgesamt drei große Investoren für sich gewinnen: Gaijin Entertainment, GEM Capital und Tencent.

1.1 Tencent

Der chinesische Megakonzern ist eines der größten Internetunternehmen der Welt und vor allem in der Gaming-Sphäre für seine milliardenschweren Investitionen bekannt, auch in westliche Studios. Tencent besitzt etwa Riot Games (League of Legends), Turtle Rock Studios (Left 4 Dead, Back 4 Blood) und 48 Prozent der Anteile an Epic Games (Fortnite).

Dem Konzern wird nachgesagt, der chinesischen Regierung nahezustehen. Im Zusammenhang mit Atomic Heart gibt es aktuell keine gesonderten Vorwürfe an Tencent. Möchtet ihr euch generell über Tencent und seine Investitionen informieren, empfehlen wir euch unseren großen Report zum Thema.

1.2 Gaijin Entertainment

Gaijin Entertainment wurde 2002 in Russland gegründet und verlegte 2015 seinen Hauptsitz nach Budapest, Ungarn. Bekannt ist Gaijin vor allem für das Weltkriegs-MMO War Thunder. Auf seiner Website gibt das Entwicklerstudio an, aktuell sechs Niederlassungen weltweit zu haben. Wie Mundfish auch macht Gaijin keine Angaben, ob und wenn ja wie viel seines Betriebs in Russland stattfindet.

Gaijin Entertainment hat sich offenbar schon 2015 aus Russland verabschiedet. Quelle: Gaijin Entertainment Gaijin Entertainment hat sich offenbar schon 2015 aus Russland verabschiedet. Zwei Tage nach dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine veröffentlichte der War-Thunder-Account auf Twitter ein Statement: Weil Gaijins Infrastruktur in EU-Ländern beheimatet sei, gebe es keinen Anlass zur Sorge, dass War Thunder abgeschaltet werden müsse (gemeint sind hier vermutlich von Spielern befürchtete EU-Sanktionen).

Man wolle sich aus der Politik heraushalten und nichts posten, was als Glorifizierung von Krieg verstanden werden könnte. Kriege sollten nur in Videospielen stattfinden.

Im Januar 2021 wurde publik, dass gesponserte Werbung der Gaijin-Spiele War Thunder und Crossout in einem Video des YouTube-Kanals "Крупнокалиберный Переполох", englisch "High Caliber Mayhem", aufgetaucht war. Der Kanal stellt in seinen Videos hauptsächlich russische und ukrainische Waffen vor.

Die NGO "Ukrainisches Militärzentrum" warf High Caliber Mayhem vor, mit der "Volksrepublik Donezk", also mit prorussischen Rebellen auf dem Staatsgebiet der Ukraine, das von Russland mittlerweile völkerrechtswidrig annektiert wurde, zusammenzuarbeiten. High Caliber Mayhem lud daraufhin ein Video hoch, in dem gezeigt wurde, dass mit den Werbeerlösen des Kanals ausschließlich betroffenen Zivilisten geholfen wird.

Gegenüber Techraptor distanzierte sich Gaijin Entertainment von den Vorwürfen. Man gebe niemandem politische Unterstützung, man wisse nichts von Politik und ziehe es vor, sich herauszuhalten. Als sie feststellte, dass Gaijin durch die Werbung in eine politische Debatte verwickelt werden könnte, habe die verantwortliche Werbeagentur die Sponsorings wieder zurückgezogen.

    • Kommentare (50)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von alex-fink Anwärter/in
        Zitat von Worrel
        Künstler, die Grenzen nur deshalb einreißen, weil sie existieren, sind aber nicht besser.
        Hab ich das irgendwo behauptet?
        Du schreibst so, als würdest du widersprechen, redest aber völlig am Inhalt vorbei.
      • Von alex-fink Anwärter/in
        Zitat von Worrel
        Künstler, die Grenzen nur deshalb einreißen, weil sie existieren, sind aber nicht besser.
        Hab ich das irgendwo behauptet?
        Du schreibst so, als würdest du widersprechen, redest aber völlig am Inhalt vorbei.
      • Von Worrel Spiele-Guru
        Zitat von RoteRosen
        Ich scheiß da drauf! Wer darüber irgendwas kritisiert (falls irgendetwas daran stimmt) ist nichts weiter als ein dreckiger Heuchler.
        Dann bitte Smartphone, Smart-TV, LEDs, PC, Konsole, Mikrowelle...ach die Liste könnte ich unendlich weiterführen.... wegschmeißen.
        Richtig:
        Es wird soviel Scheiße gebaut, daß man gar nicht alles boykottieren kann.

        Falsch:
        Deswegen ist es völlig irrational, irgendetwas zu boykottieren.

        Wissenswert:
        Es gibt zB Smartphone Hersteller, die auf faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit achten.

        Bei PCs sieht das zwar düsterer aus, aber mit entsprechender Zusammenstellung kann man einen PC inzwischen recht lange betreiben, ohne zu viele Komponenten aufrüsten zu müssen.
        Mein Spiele PC ist momentan zB 8 oder 9 Jahre alt.

        Leute, die das eine boykottieren und das andere nicht , als Heuchler darzustellen, ist ähnlich sinnvoll wie jemandem, der Bücher liest, Heuchlertum vorzuwerfen, weil er Buch X nicht gelesen hat.

        Es gibt diverse Motive und Lebensbedingungen, die unsere Entscheidungen beeinflussen.
        Vielleicht hat jemand nur soviel Geld, daß er sich nur bei einem Produkt die teurere, fairere Variante leisten kann.
        Vielleicht lebt er mit jemandem in einem Haushalt, der den Boykott bei Produkt X nicht mitmacht, und daher einigt man sich darauf, bei Produkt Y aber komplett zu boykottieren.
        Vielleicht verträgt man nur das unfairer produzierte Medikament Z.
        Vielleicht weiß man auch einfach nichts über Problem P, aber viel über Problem X ...

        Zitat von RoteRosen
        Oder keinen Müll mehr verursachen, denn der wird ja auch von uns ins Ausland exportiert, damit wir am Ende als Umweltschützer dastehen...Und dann Mal bitte eine Doku gucken von den ekelhaften Umständen in Afrika und Mal "Hallo" rufen zu unserem Müll.
        Man kann auch einfach nur versuchen, weniger Müll zu produzieren.
        Zitat von RoteRosen
        Waffenexporte von uns nach Saudi-Arabien, welche die Bevölkerung im Jemen-Konflikt tötet (derzeit ca. 230.000 tote).
        Was hat das jetzt mit unserem Konsumverhalten zu tun?
      • Von Worrel Spiele-Guru
        Zitat von Case39
        Hauptsache nicht auffallen und anecken...dann bleib in deiner kleinen Blase und schreib niemandem vor, was er zu tun oder zu lassen hat.
        Wo schreibe ich denn jemandem was vor?
        Und wie sollte ich das durchsetzen...?
        Zitat von Case39
        Hätten Menschen in der Vergangenheit, niemals Grenzen überwunden, würden wir Heute noch mit Tontafeln schreiben und in Höhlen wohnen.
        Das gilt ebenfalls für die Kunst.
        zB die explizite Darstellung eines Gewaltverbrechens wäre eine solche Grenze.
        Wenn das Einreißen eben jener Grenze die einzige Motivation der Macher ist, dann hat man ggfalls ein gewaltverherrlichendes Mistspiel.

        Hat man hingegen einen Grund oder Kontext, warum diese Explizität der Gewaltdarstellung sinnvoll ist, dann ist das Einreißen dieser Grenze gerechfertigt.

        Ansonsten ist es bloß Grenzen-Einreißen-Porno.

        Bei einem Spiel wie Left 4 Dead macht es beispielsweise Sinn, den Gegnern die Köpfe abzuschlagen und das auch zu zeigen.
      • Von Case39 Spiele-Novize/Novizin
        Zitat von Worrel
        Künstler, die Grenzen nur deshalb einreißen, weil sie existieren, sind aber nicht besser.
        Hauptsache nicht auffallen und anecken...dann bleib in deiner kleinen Blase und schreib niemandem vor, was er zu tun oder zu lassen hat.
        Hätten Menschen in der Vergangenheit, niemals Grenzen überwunden, würden wir Heute noch mit Tontafeln schreiben und in Höhlen wohnen.
        Das gilt ebenfalls für die Kunst.
        Und das schreibt jemand in einem Gaming Forum...glaubt man ja nicht mehr?
      • Von RoteRosen Hobby-Spieler/in
        Ich scheiß da drauf! Wer darüber irgendwas kritisiert (falls irgendetwas daran stimmt) ist nichts weiter als ein dreckiger Heuchler.
        Dann bitte Smartphone, Smart-TV, LEDs, PC, Konsole, Mikrowelle...ach die Liste könnte ich unendlich weiterführen.... wegschmeißen.

        Ist nämlich alles auf dem Rücken von moderner Sklaverei und Kinderarbeit zu absolut unmenschlichen Konditionen produziert worden.

        Oder keinen Müll mehr verursachen, denn der wird ja auch von uns ins Ausland exportiert, damit wir am Ende als Umweltschützer dastehen...Und dann Mal bitte eine Doku gucken von den ekelhaften Umständen in Afrika und Mal "Hallo" rufen zu unserem Müll.

        Waffenexporte von uns nach Saudi-Arabien, welche die Bevölkerung im Jemen-Konflikt tötet (derzeit ca. 230.000 tote).

        Also....Was soll die Diskussion hier wenn im Endeffekt unser Staat und UNSER handeln bereits ein Verbrechen ist?
      Direkt zum Diskussionsende
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