Stardew Valley ist das perfekte Spiel für den Corona-Lockdown

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Special Christian Fussy - Redakteur
Stardew Valley ist das perfekte Spiel für den Corona-Lockdown
Quelle: PC Games

Redakteur Christian Fußy liebt Stardew Valley. Und findet im Lockdown stetig neue Gründe, es noch mehr zu lieben. Vielleicht auch, weil das Spiel einige vortreffliche Weisheiten enthält, die uns in der aktuellen Situation helfen können, uns selbst nicht zu verlieren.

Stardew Valley ist für mich im Corona-Lockdown so etwas wie ein digitaler Urlaubsort geworden, den ich alleine oder zusammen mit meinen Freunden zur Entspannung besuchen kann. Ich habe mich dazu entschlossen, diesen Text zu schreiben, weil ich einerseits meine Dankbarkeit für dieses wunderbare, eigenartige Stück Popkultur zum Ausdruck bringen möchte und andererseits hoffe, vielleicht die eine oder andere Person damit zu inspirieren, dem Spiel und seiner meditativen Wirkung eine Chance zu geben.

Im Folgenden versuche ich zu erklären, was genau die Anziehungskraft von Stardew Valley (jetzt kaufen 39,00 € ) ausmacht und warum das Spiel so ein fantastisches Antidot zu unserer gegenwärtigen, oft hoffnungslos erscheinenden Situation darstellt. Doch dafür müssen wir erst einmal eine Reise in Vergangenheit unternehmen...

Simplere Zeiten

Älteren Semestern dürfte es schwerfallen, bei einem Blick auf Stardew Valley nicht sofort an Yasuhiro Wadas Harvest Moon für den Super-Nintendo zu denken. Die Landwirtschaftssimulation von 2016 ist eindeutig von dem Klassiker inspiriert und borgt sich neben der zentralen Prämisse, nach der wir als frischgebackener Farmer den heruntergekommenen Bauernhof eines Verwandten übernehmen, auch die warme Farbpalette und die Möglichkeit, mit den Singles aus dem nahegelegenen titelgebenden Dorf anzubandeln. Wie in den neueren Ablegern von Harvest Moon haben wir in Stardew Valley die Wahl, entweder als Bäuerin oder Bauer loszuziehen. Ansonsten scheint aber vor allem das kultige Originalspiel Vorlage für Entwickler Eric Barone alias Concerned Ape gewesen zu sein.

Von Sekunde Eins an weckt Stardew Valley also Erinnerungen an alte Zeiten. Auch ich fühlte mich durch Setting und die an Spiele der 16-Bit-Ära angelehnte Optik beim ersten Spielen direkt in die Welt von Harvest Moon zurückversetzt. Doch ich bin mir sicher, dass die kunterbunte Welt des Sternentautals auch bei vielen Spieler*innen, die den 20 Jahre älteren Titel nicht erlebt haben, nostalgische Gefühle hervorruft.

Durch die Folgen der Corona-Pandemie fühlen wir uns häufig eingesperrt, unbefriedigt, frustriert und machtlos und sehnen uns daher umso stärker nach der vermeintlich simpleren Vergangenheit, in der wir das Gefühl hatten, unsere eigene Situation noch stärker unter Kontrolle zu haben. Oder wir einfach noch jünger und sorgloser waren. Diese romantisierte Vision der Vergangenheit bietet die Grundlage für Stardew Valley.

Die Welt von Stardew Valley ist konzipiert als perfekter Zufluchtsort vor den negativen Aspekten des modernen Lebens. Unsere Hauptfigur beginnt das Spiel als Callcenter-Arbeitsdrohne in einer von vielen identischen Waben in einem Großraumbüro. Aufgrund eines Burnouts nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben, ergreift sie die Chance, aufs Land zu ziehen und einen Neuanfang auf der verwahrlosten Farm des Großvaters zu starten. In der simplen Hofarbeit findet sie die Selbstbestimmung, die ihr in den letzten Jahren ihres Lebens gefehlt hat.

Jeden Tag ein bisschen besser

Dieses Motiv der Selbstverwirklichung bzw. Selbstverbesserung zieht sich durch alle Aspekte von Stardew Valley. Die RPG-Elemente sorgen dafür, dass wir uns stetig in dem weiterentwickeln, was wir tun. Wurde eine gewisse Stufe erreicht, bekommen wir dann die Wahl, uns noch weiter zu spezialisieren und einzigartige Boni freizuschalten. Alle paar Tage erhalten wir zudem Spezial-Aufträge von Dorfbewohnern, die bestimmte Mineralien, Früchte, Blumen oder Fische benötigen und diese für erhöhte Preise erwerben wollen. Das hilft dabei, sich kurzfristige Ziele zu setzen und motiviert dazu, andere Bereiche der Karte zu erkunden und sich mit verschiedenen Formen der Rohstoffgewinnung auseinanderzusetzen.

Nicht nur das Gameplay, auch die Figurenzeichnung der NPCs forciert den Gedanken, dass sinnstiftende Arbeit und Selbstverbesserung uns helfen, unser Glück zu finden und die Seele zu reinigen. Wer möchte, kann Bekanntschaften, Freundschaften und Romanzen zu den Bewohnern des Sterntautals aufbauen. Je mehr uns ein Charakter vertraut, desto mehr gibt er dann von sich preis. In Zwischensequenzen erfahren wir, welche Träume und Pläne diese Figur für ihr Leben hat.

Da gibt es zum Beispiel den Autor Elliot, der in einer Hütte am Strand wohnt und Inspiration in der Natur sucht. Wir können ihm Denkanstöße zu seinen Romanen geben und ihm dabei helfen, seine Schreibblockaden zu überwinden. Dann wäre da noch Haley, die von Ziel- und Perspektivlosigkeit geplagt wird und ihre Angst hinter arroganten Kommentaren und Spott zu verstecken versucht. Sie entdeckt in ihrer Geschichte, wo ihre Leidenschaft liegt und wandelt sich zu einer hilfsbereiten und lebenslustigen Person. Shane, der in einem für ihn unbefriedigenden Job als Kassierer bei Stardew Valleys Version von Walmart feststeckt, ertränkt seine Sorgen hingegen in Alkohol, hat seine Träume aus den Augen verloren und versinkt zunehmend in Depressionen. Seine Reise führt dazu, dass er sich professionelle Hilfe sucht, die wahren Quellen seiner Unzufriedenheit erkennt und lernt, besser mit seinen Dämonen umzugehen.

Jede Figur in Stardew Valley hat ihren individuellen Tagesablauf, spezielle Vorlieben und Events. Quelle: PC Games Jede Figur in Stardew Valley hat ihren individuellen Tagesablauf, spezielle Vorlieben und Events. Die Beziehungen in Stardew Valley sind nicht nur putzig anzuschauen, sondern enthalten auch schöne kleine Einzelgeschichten, in denen die Figuren etwas über sich selbst lernen. Manchmal werden auch wir in Dialogen angehalten, über unsere Situation nachzudenken. Auf Fragen wie "warum bist du hergezogen?" oder "macht dir die Arbeit Spaß?" haben wir mehrere Antwortmöglichkeiten, die zwar keine Konsequenzen für den Spielverlauf haben; allerdings unterstreichen sie auf dezente Weise erneut die zentralen Themen des Spiels.

Im Lockdown sind wir zwangsläufig öfter mit uns selbst allein. Wenn draußen die ganze Welt auf Pause zu stehen scheint, gibt uns das Zeit zu reflektieren, wo man steht und wo man hinwill. Für viele Menschen - so auch für mich - sind diese Gedanken oft nicht nur neutral oder positiv konnotiert, sondern häufig auch furchteinflößend und lähmend. Stardew Valley zeigt uns eine Welt, in wir uns und die Situation unserer Mitmenschen jeden Tag ein bisschen verbessern. Auch hier brauchen die Figuren Zeit, herauszufinden was sie im Leben anfangen wollen. Manchmal führt der Weg zum Glück über Umwege, die wir am liebsten nicht eingeschlagen hätten und häufig fühlen wir uns, als ob wir in einem Trott feststecken, der sich anfühlt wie Beton an unseren Füßen. In Stardew Valley wird argumentiert, dass Routine ein unvermeidbarer Teil des Lebens ist, den wir mit Willenskraft zu unserem Vorteil nutzen können und dass jeder noch so unbedeutend erscheinende Tag sich lohnen kann, wenn man sich auch nur ein kleines bisschen weiterentwickelt.

Eine Welt, die sich weiterentwickelt

Stetig weiterentwickelt wurde in den letzten fünf Jahren auch Stardew Valley selbst. Entwickler Eric Barone erweitert das Spiel regelmäßig mit Zusatzinhalten, kleinen Verbesserungen und vorgeschlagenen Anpassungen aus der Fangemeinde. Diese Updates reichen von Details wie "Enten können jetzt schwimmen" über neue Frisuren und Klamotten bis hin zu unterschiedlichen Bauernhof-Formen, komplett neuen Arealen, Monstern und Figuren. Erst kürzlich wurde mit Update 1.5 eine der größten Erweiterungen in der Geschichte des Spiels veröffentlicht. Diese anhaltende Bestandspflege trägt wohl entscheidend dazu bei, dass das Stardew Valley auch lange nach seiner Erstveröffentlichung noch Rekordzahlen an aktiven Spieler*innen verzeichnet.

Neben den offiziellen Updates stehen für Stardew Valley zudem tausende Mods bereit, mit denen ihr eure Spielerfahrung noch weiter individualisieren könnt. Neben Quality-of-Life-Updates, optischen Veränderungen und Balancing-Optionen bringen manche Mods auch neue Spielelemente wie einen fahrbaren Traktor, Farmtiere oder sogar komplett neue Gebiete und NPCs mit sich.

Wer von den ganzen Möglichkeiten und immer neuen Spielinhalten hingegen überfordert ist oder Angst hat, versteckte Features oder Achievements zu übersehen, der kann auf das umfangreiche, vom Entwickler unterstützte Wiki zum Spiel zurückgreifen und findet darin genaue Beschreibungen zu allen Objekten, Charakteren, Events und Herausforderungen. Das Wiki gibt es neben vielen anderen Sprachen auch auf Deutsch. Sowohl das Hauptspiel als auch Mods und Wiki werden permanent aktualisiert, was Stardew Valley wohl zum lebendigsten Ort macht, den ihr derzeit besuchen könnt.

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Stardew Valley: Trailer zur Collector's Edition

Kuhstall statt Zoom-Call

Ein Feature, das bei Release noch nicht im Spiel war, für mich mittlerweile aber definitiv unverzichtbar ist, ist die Möglichkeit, eine Farm mit bis zu vier Freund*innen im Koop-Modus zu betreiben. Wenn wir frei nach Quentin Tarantino den Western Rio Bravo als "Hangout-Movie" klassifizieren, weil wir die meiste Zeit einfach mit den Figuren rumhängen, so würde ich Stardew Valley als ein "Hangout-Game" beschreiben. Durch die Endlosspiel-Natur und die wunderschöne Grafik lädt Stardew Valley dazu ein, die Seele baumeln und sich Zeit zu lassen. Und mit den richtigen Leuten überträgt sich dieser Vibe auch optimal auf den Multiplayermodus.

Statt immer nur über irgendein Videochat-Programm zu quatschen, haben zahlreiche Leute während der Corona-Pandemie auch das Zocken für sich entdeckt. Vor allem Spiele wie Phasmophobia und Among Us, die in ihrem Gamedesign auf Kommunikation setzen und somit eine starke soziale Komponente aufweisen, erfreuen sich im Lockdown extremer Beliebtheit. Und obwohl man in Stardew Valleys Online-Koop-Modus theoretisch auch einfach stumm und ohne viel Rücksicht aufeinander nebeneinander her arbeiten kann, entfaltet sich dabei ein unglaublich starkes Gefühl der Verbundenheit.

Unsere Spielfiguren begegnen sich beim täglichen Gang zum Supermarkt, laufen sich zufällig in der Natur über den Weg oder beackern gemeinsam dasselbe Stück Farmland. Wir nehmen alle zusammen regelmäßig an den Veranstaltungen teil, die an bestimmten Kalendertagen am Dorfplatz, im Wald, am Strand oder vor dem Gemeindezentrum abgehalten werden. Und wenn wir möchten, können wir gemeinsam einen Angelausflug machen, die örtliche Höhle erkunden oder unseren Hof optimieren, indem wir uns auf verschiedene Spezialgebiete konzentrieren und uns die Arbeit sinnvoll aufteilen.

Im Koop-Modus können bis zu vier Spielfiguren gemeinsam auf einer Farm leben. Quelle: PC Games Im Koop-Modus können bis zu vier Spielfiguren gemeinsam auf einer Farm leben. Stardew Valley ist auch deshalb ein großartiges Spiel, weil das eigentliche Spielen dabei leicht in den Hintergrund rücken kann. Die Hofarbeit bietet genügend Aufgaben, die sich täglich wiederholen und nicht unsere ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern. Wir können also in Ruhe unserer Routine nachgehen und uns dabei über Gott und die Welt unterhalten. Dadurch, dass Stardew Valley in erster Linie nicht auf kompetitives Spiel ausgelegt ist und keine blitzschnellen Reflexe erfordert, sondern Exploration und Gestaltung im Mittelpunkt stehen, eignet es sich auch ganz hervorragend für Menschen, die wenig Gaming-Affinität oder -Erfahrung aufweisen.

Für mich zumindest war die erneute Rückkehr ins Sternentautal zum jüngsten Update eine Offenbarung, die ich so ziemlich allen empfehlen kann. Wenn ihr allein oder in der Gruppe einen Ausflug in eine Welt unternehmen wollt, die nicht Gefahr läuft, jeden Tag näher an den Abgrund zu rücken und in nihilistischem Chaos zu versinken, seid ihr mit Stardew Valley auf jeden Fall bestens beraten.

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    • Kommentare (5)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Celerex
        Zitat von Spiritogre
        Ich ziehe My Time at Portia vor, das Spiel ist sehr ähnlich hat aber recht schöne 3D Grafik.
        Es ist so unendlich schade, dass das Game ohne Multiplayer daher kommt. Ansonsten würde ich es auch definitiv bevorzugen.
      • Von Celerex
        Zitat von Spiritogre
        Ich ziehe My Time at Portia vor, das Spiel ist sehr ähnlich hat aber recht schöne 3D Grafik.
        Es ist so unendlich schade, dass das Game ohne Multiplayer daher kommt. Ansonsten würde ich es auch definitiv bevorzugen.
      • Von Valdis348
        Zitat von Basileukum
        Bei mir war es die Box wo das Gemüse zum Verkaufen reinwirfst, als ich die nicht versetzen konnte, was mein genialistisches Bauernhofsystem durcheinanderbrachte, hab ichs deinstalliert.
        Dann schau am besten nochmal rein. Mittlerweile geht das ja. :-) Es gibt nun auch wesentlich mehr Content, vor allem fürs Endgame. Lohnt sich.
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Gibt unzählige alternative Spiele um den Lockdown zu "überleben". :-B
      • Von Basileukum Hobby-Spieler/in
        Ein echter Grinder, macht aber unheimlich viel Laune. Aber irgendwann hast halt relativ viele Felder, die Höhle zum Metalsammeln ist auch durchgespielt, dann bekommst irgendwann n Koller.

        Bei mir war es die Box wo das Gemüse zum Verkaufen reinwirfst, als ich die nicht versetzen konnte, was mein genialistisches Bauernhofsystem durcheinanderbrachte, hab ichs deinstalliert.
      • Von Spiritogre
        Ich ziehe My Time at Portia vor, das Spiel ist sehr ähnlich hat aber recht schöne 3D Grafik.

        Und für den Lockdown ... hmmm ... ich bin irgendwie gerade wieder im Skyrim Fieber.
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