LGBTI*Q in Spielen: Liebe Videospielindustrie, traut euch mehr Vielfalt zu!
Die mit den Regenbogenfahnen sind doch schon überall ... weit gefehlt! Häufig tritt in Games der heterosexuelle (weiße) Mann als Hauptfigur auf. Dabei herrscht vor unseren (realen) Türen und Bildschirmen doch eine unglaubliche Vielfalt an Identitäten und Lebensformen! Warum genießen LGBTI*Q-Personen und -themen in Videospielen immer noch relativ wenig Darstellungsfläche? Unsere Mitarbeiterin Stefanie begibt sich auf Spurensuche und meint, dass Videospiele eindeutig mehr Vielfalt brauchen.
Meine Hände zittern, die Tränen muss ich mühsam unterdrücken. Gerade habe ich Life is Strange zu Ende gespielt und stand im Finale des Abenteuers vor einer der schwierigsten Entscheidungen meiner bisherigen Videospielelaufbahn. Das macht das Adventure von Dontnod Entertainment aber nicht zu einem der einprägsamsten Gaming-Momente für mich. Vielmehr war es die von mir zum Teil selbst mit aufgebaute Liebesbeziehung zwischen Max Caulfield und ihrer blauhaarigen Kindheitsfreundin Chloe, die mir selbst die folgenden Wochen nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
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Und das hatte einen besonderen Grund: Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich in meiner jahrelangen Videospielgeschichte nie auf LGBTI*Q-Personen in Videospielen gestoßen. Aber warum ist das so?
Über die Autorin
Quelle: Stefanie Hartwich
Stefanie Hartwich ist Masterstudentin der Soziologie an der Philipps-Universität Marburg. Ihre Schwerpunkte sind die Themen Feminismus und Ungleichheiten. Ihre große Passion sind Videospiele. Am liebsten spielt Stefanie Open-World-Spiele, Adventures und Sportsimulationen (spart die Kosten für das Fitnessstudio, hust). Beim Daddeln regt sie sich meist über die Unterrepräsentanz von Minderheiten auf. Das geht sogar so weit, dass sie bei Overcooked immer den Waschbären im Rollstuhl als Koch nimmt, da Hauptfiguren mit Behinderungen in Videospielen kaum vorkommen (riechen wir da etwa eine weitere Kolumne?).
LGBTI*Q: Eine kurze Einführung
Bevor jetzt alle laut aufschreien und fragen: Was ist denn mit dem LGBTI*Q gemeint? LGBTI*Q steht für Lesbisch, Schwul (das G steht hier für das englische Wort Gay), Bisexuell, Transgender, Inter-Personen und Queer. Die ersten drei Wörter sind vielen schon geläufig. Bei den anderen Begriffen wird es jedoch schon schwieriger.
Transgender-Personen (vielen noch als Transsexuelle bekannt) sind Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem nach der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Inter-Personen wurden mit biologisch gesehen weiblich und männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren, wodurch die biologische Einordnung in die binäre Geschlechterteilung (Frau/Mann) nicht eindeutig getroffen werden kann. Häufig wird von Intersexualität gesprochen, was jedoch (ähnlich wie Transsexualität) ein umstrittener Begriff ist, da es nichts mit Sexualität am Hut hat, sondern um die Geschlechtsidentität geht. Das Sternchen zwischen dem I und Q wird übrigens nicht ausgesprochen, sondern mit einer kleinen Pause angedeutet. Es steht für alle Menschen, die sich nicht in eine dieser Schubladen der sexuellen und sozialen Identitäten wie Frau oder Mann stecken lassen wollen. Das Q steht für Queer, das als Sammelbecken aller hier genannten Gruppierungen gilt.
Männlich und heterosexuell als gesetztes Paradigma
Kommen wir wieder zu meinen Erfahrungen zurück. Sehr häufig habe ich Videospiele gespielt, die eine Sache gemein haben: Sie hatten einen männlichen heterosexuellen (und meist) weißen Hauptcharakter. Ich will damit nicht sagen, dass die Spiele deswegen grundsätzlich schlecht waren. Vielmehr geht es mir darum, dass andere Lebensweisen und -umstände eher selten in Videospielen anzutreffen sind. Und bei den großen Publishern und Entwicklungsstudios erst gar nicht als Hauptfigur!
Quelle: Rockstar Games Was die Gründe für die Überrepräsentanz dieses Paradigmas in Games sind? Ganz einfach: Die Videospielbranche selbst wird von ebendiesen dominiert. Schaut man sich die Credits der Games von großen Publishern wie Ubisoft, EA, Blizzard und Co. an, fällt sofort auf, dass die Spiele hauptsächlich von Männern entwickelt wurden. Auch Studien belegen, dass Männer in der Videospielindustrie überrepräsentiert sind. Laut der IGDA (International Game Developers Association), sind 71 Prozent der Mitarbeitenden in Entwicklerstudios männlich, knappe 24 Prozent dagegen weiblich. Nicht-binäre Personen und andere sind mit insgesamt fünf Prozent massiv unterrepräsentiert. In einer separat gestellten Frage beschreiben sich vier Prozent der Mitarbeitenden als Transgender. Knapp jede fünfte Person ist nicht heterosexuell. Es scheint also an der ein oder anderen Stelle an Diversität in der Videospielbranche zu fehlen, was sich auch auf die (Nicht-)Darstellung von Vielfalt in Videospielen auswirkt.
Angst vor schlechten Verkaufszahlen und Bewertungen?
Quelle: Sony Computer Entertainment Natürlich ist die Belegschaft der Spielentwicklung nur eine Seite der Medaille. Ein weiterer Grund, warum die Entwicklungsstudios selten LGBTI*Q-Figuren einbinden, liegt an einer lautstarken Minderheit bei den Endkonsumierenden selbst, die ihr offenkundig auf Vorurteilen basierendes Weltbild in Spielen repräsentiert sehen will und auf Umstände und Figuren, die dieser Ansicht entgegenstehen, mit Ablehnung, Hass und Scheinargumenten reagieren. Publisher und Entwicklungsstudios, die LGBTI*Q-Personen in ihr Spiel einbauen, müssen entsprechend mit zumeist unreflektierter Gegenwehr rechnen. So geschehen bei dem von der Presse hochgelobten The Last of Us Part 2. Das Spiel rund um die Geschichte der homosexuellen Ellie, die in einer dystopischen Welt auf Rache aus ist, hat einen Community-Metascore von 5,7 Punkten. Die Gründe für die Bewertung sind scheinbar vielfältig. Vom tatsächlich vorhandenen Crunch beim Entwickler war hier die Rede, davon, dass die Figuren sich selbst untreu geworden wären und dass die im Vorfeld des Releases in Teilen geleakte Handlung schlicht schlecht sei.
Schlussendlich finden sich in vielen dieser kritischen Tiraden aber zwei verbindende, verräterische Faktoren: Auf der einen Seite wird antifeministisch argumentiert, da die Antagonistin Abby "zu männlich" sei, da sie muskulös ist. Auch der weibliche Fokus des Abenteuers wird kritisiert. Eine "feministische" oder "männerfeindiche" Agenda (und nein, beide Begriffe bedeuten nicht das Gleiche!) wird in den Raum gestellt. Auf der anderen Seite finden wir wie so oft die Forderung, "Politik aus den Spielen herauszuhalten", das betrifft neben dem ach so schrecklichen Feminismus insbesondere die Einbindung homosexueller Hauptfiguren. Dabei ist das Verlangen, dass Politik in Videospielen nichts zu suchen hat, scheinheilig. Denn viele der "besorgten" Menschen blenden dabei aus, dass das Einsetzen einer den Kritisierenden ansprechenden Lebensauffassung auch ein politischer Akt ist. Dazu gehört eben auch die permanente Darstellung von straighten, hypermaskulinen Männern und heterosexuellen Beziehungen in Videospielen. Näheres führe ich weiter unten aus.
Transgender-, Inter- und nichtbinäre Personen kaum sichtbar
Quelle: PC Games Es gibt auch einige bemerkenswerte Ausnahmen bei den Entwicklungsstudios, was die Implementierung von queeren Figuren angeht. So sind die Spiele von Bioware für mich herausragende Beispiele für die Implementierung von queeren Personen. Die Dragon-Age- und einige Mass-Effect-Teile brachten viele videospielende Menschen wohl zum ersten Mal in Kontakt mit (optionalen) homosexuellen Romanzen und Nebenfiguren. Insbesondere Dragon Age: Inquisition und Mass Effect: Andromeda stechen in dieser Hinsicht heraus. Das liegt daran, dass beide Transgender-Personen (wenn auch nur als Nebenfiguren) vorweisen. Zudem sind auch nicht alle Figuren prinzipiell bisexuell, wenn wir beschließen, dass wir gerne mit ihnen flirten wollen - halt wie in der Realität. Anstatt dass die spielende Person darüber "entscheidet", wer homosexuell ist und wer nicht, wird das nun vom Spiel vorgegeben - was gut so ist. Denn Menschen entscheiden sich nicht für eine gewisse Lebensform, egal ob es um die sexuelle Orientierung oder die eigene Geschlechtsidentität geht, sie werden so geboren.
Quelle: Dontnod Entertainment Noch schlechter repräsentiert in Videospielen sind Transgender sowie Inter- und nichtbinäre Menschen. Die wohl bekannteste Transgender-Person versteckt sich bei Nintendo. Birdo wird beim ersten Auftreten in Super Mario Bros. 2 (1988) als Junge, "der denkt, dass er ein Mädchen sei", beschrieben (heutzutage würde man diese Aussage als transphob kennzeichnen). Anstatt mit der Transgender-Thematik von Birdetta, wie sie eigentlich genannt werden will, ein Statement zu setzen, hat Nintendo mittlerweile "Birdo" zur "biologischen" Frau erklärt und untergräbt so ihre Trans-Identität.
Besser macht es derzeit Dontnod Entertainment mit Tyler aus Tell Me Why. Bei dem Adventure können wir endlich eine Transgender-Person spielen, wodurch wir Einblicke in das Leben eines Trans-Mannes erhalten. Inter- und nichtbinäre Menschen müssen abseits weniger Ausnahmen immer noch auf eine großangelegte Repräsentation in Videospielen warten.
Liebe Videospielindustrie, traut euch mehr Vielfalt zu!
Quelle: Square Enix Kommen wir aber zum Argument zurück, dass Videospiele frei von Politik sein sollen. Auch wenn es einige Videospielende, Publisher und Entwicklungsstudio nicht wahr haben wollen, sind Games immer politisch. Wenn wir in Spielen immer wieder heterosexuelle Beziehungen und Männer als Hauptcharaktere vorgesetzt bekommen, liegt es daran, dass Heterosexualität, die Geschlechtsbinarität, also das Verharren auf der bloßen Existenz der Gegenpole Frau und Mann, und Androzentrismus (das Setzen des Mannes als Maß aller Dinge) in unserer Gesellschaft immer noch als Norm und damit selbstverständlich angesehen werden. Nicht nur in der Videospielbranche führt jeder Versuch des Aufbrechens dieser Norm zu massiven Anfeindungen bestimmter Gesellschaftsgruppen.
Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass selbst 2020 LGBTI*Q-Personen noch immer unter Diskriminierung und massiven Anfeindungen leiden müssen. Das reicht von Problemen am Arbeitsplatz über Anfeindungen im Privatleben bis zum bloßen Händchenhalten in der Öffentlichkeit. Videospiele könnten Brücken schlagen und diese Erlebnisse der großen, dem Thema gegenüber prinzipiell neutral eingestellten, aber uninformierten Mehrheit näher bringen und sie erfahrbar machen. Ich bin mit Ethan aus Heavy Rain zum Vater geworden, der verzweifelt nach seinem Sohn sucht, habe mit Michael aus GTA 5 eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen und in New Super Mario Bros. Wii Prinzessin Peach vor dem bösen Bowser gerettet: alles Erfahrungen, die man so oder so ähnlich schon oft in Videospielen gemacht hat.
Dabei gibt es doch noch viel mehr Geschichten zu erzählen, als den gefühlten Einheitsbrei aus Bad Guys, zerstörten Vater-Sohn-Beziehungen und der Rolle des Retters bzw. Befreiers. Das ist echt schade und eine große Chance, bedenkt man, was für tolle Geschichten da noch in den Köpfen der Storyschreibenden schlummern könnten.
Videospiele schaffen es, Menschen unterschiedlichster Altersgruppen, Nationalitäten und Schichten zu verbinden, sei es durch Online-Spiele, Communitydiskussionen oder einfach durch die Gemeinsamkeit der glasigen Augen nach einer durchgezockten Nacht. Also lasst uns doch einfach feiern, dass immer mehr Gruppen auf unseren Bildschirmen erscheinen, anstatt uns ständig darüber zu aufzuregen, dass diese aus welchen banalen Gründen auch immer keine Daseinsberechtigung hätten. Also, liebe Videospielindustrie, wie wäre es mit einer lesbischen Transgender-Frau oder einer nicht-binären Inter-Person als Hauptfigur? Ich hätte da so einige Ideen ...
Womit ich jedoch ein Problem habe, sind sog. Gutmenschen, die meinen, sie wären unsere Alliierten, obwohl sie es nie waren, und somit meinen das Recht zu haben, uns vorschreiben zu müssen, wofür wir uns angegriffen fühlen sollen.
Danke dafür. Wirklich.
Eins ist klar: Leute wie die Autorin fordern solche Dinge nicht "für" irgendwelche Minderheiten, sondern nur für ihr eigenes Weltbild das eben so und so auszusehen hat.
Insgesamt geht es um die Selbstdarstellung des eigenen Egos. Man will/muss für etwas "Gutes" kämpfen, um in den Spiegel sehen zu können. Ansonsten würde das fragile Ego ganz schnell zerbrechen.
Und natürlich muss das jeder sehen, sonst wär es ja umsonst.
Und um sich selbst zu erhöhen macht man am besten andere schlecht.
Ein ganz alter Hut.
Ein wirklich gerechter Mensch würde sich "unsichtbar" für andere einsetzen und das nicht so hinausposaunen wie toll er doch ist weil er auf diese eine Demo ging und diese Meinung hat.
Narzistische neue Gesellschaft (ist ja so toll progressiv).
Jeder mit gesunden Selbstbewußtsein wird automatisch zum Feind.
https://www.youtube.com/w...
Das mit dem Abtippen und selbst programmieren habe ich versucht ja auch schon dazulegen.
Übrigens, kleiner Gag am Rande, selbst als ich Anfang 90er meine Ausbildung machte wurde die CNC Maschine bei uns zwar nicht mehr mit Lochkarten sondern mit Lochstreifen "betankt" aber viel anders war das auch nicht. Die Programme wurden anhand von Zeichnungen auf einer speziellen Zweittastatur auf dem 286er getippt und dann ausgedruckt. Selbst das war eben kein richtiges Programmieren, weil man einfach Schritt für Schritt die selbstgemachte Zeichnung längs einfach die Werte abtippte im Stil: Am Nullpunkt 90 Grad nach Rechts drehen, dann 50 Millimeter geradeaus, dann 45 Grad nach Links drehen, dann 60 Millimeter geradeaus. Und dafür gab es wie gesagt extra eine spezielle Tastatur, wo man dann eben eine Taste für Winkel etc. hatte und das Ganze dann eben so in das System eintippte. Die PCs waren natürlich auch so eingerichtet, dass nach dem Anschalten sofort das CNC Programm startete, irgendwo in DOS oder so konnte man da gar nicht. Dieses eintippen, um das in Lochstreifen auszudrucken, das konnte wirklich jeder. Die Schwierigkeit lag einzig darin, halt vorher eine passende technische Zeichnung anzufertigen und alle Werte dort einzutragen.
Lochkarten kenne ich übrigens auch noch. Vielleicht kennt jemand den Citti Supermarkt? Bis in die späten 80er konnten dort nur Firmen einkaufen und keine Privatleute. Dort gab es dann oftmals Großpackungen und die Preise waren dort in Netto ausgezeichnet. Zu jedem Artikel den man sich nahm musste man sich eine Lochkarte nehmen. An der Kasse hat der Verkäufer dann geschaut ob man alle und die richtigen Lochkarten hatte, die wurden dann in die Kasse eingelesen und anschließend gingen die über einen kleinen Aufzug an die Decke und dort dann über schmale Förderkanäle irgendwo wieder ins Büro. Quasi der 70er Jahre Vorläufer der Strichcodes.
An unserer Schule waren wir der erste Jahrgang mit "Informatik". Da waren auch ein paar Mädchen bei, aber man merkte sehr, dass die absolut keine Lust dazu hatten und wahrscheinlich von ihren Eltern genötigt waren, dort mitzumachen. Und das war damals natürlich alles sehr rudimentär mit Comal 80 Modulen an den C64 gesteckt. Mädchen die sich wirklich für Computer interessierten habe ich erst viel später kennengelernt. In den 80ern konnten die meisten nicht mal den Videorekorder programmieren.
Erst als Software cool wurde schnappten sich die Männer die Jobs und verdrängten weibliche Programmierer. Soviel zum Genderkampf. ;)
Ursprünglich war das Programmieren von Computern das Umsetzen von Formeln und Algorithmen auf Lochkarten oder Papierstreifen, also reine Tipparbeit ohne jede Kreativität. Deshalb haben das die Frauen gemacht, die ansonsten auch die gute alte Schreibstube bevölkert haben, denn sie waren sehr gut darin, weitestgehend fehlerfrei einzutippen. Immerhin konnte ein Programmlauf auch mal Tage dauern, da waren Fehler teuer. Entwickelt wurden die Programme aber überwiegend von männlichen Wissenschaftlern.
Spätestens mit dem Aufkommen von Bildschirmen, Tastaturen und anderen heute üblichen Eingabe-/Ausgabegeräten war es mit den Lochkarten vorbei und die Entwickler der Programme konnten sie auch selbst eintippen -> Männer. Damit wurde der Entwickler auch zum Programmierer.
Auch heute gibt es noch einen semantischen Unterschied zwischen Programmierern und Entwicklern, wobei die Begriffe je nach Kontext auch mal synonym genannt werden.
In der Platinenfertigung gibt es einen ähnlichen Unterschied: Da gibt es die Platinen-Designer, die die Platinen und ihre Funktionalität entwerfen, und die Layouter, die sie dann möglichst sparsam und effizient für die Produktion umsetzen. Platinen-Designer ~ Entwickler, Layouter ~ Programmierer.
Wie oben erwähnt war Programmieren in der Anfangszeit ein typischer Frauenjob. Er bot wenig Prestige und stand für minderwertiges Geschreibsel. Gleichauf mit Briefe tippen und Akten sortieren.
Plötzlich wurde der Job sexy und gut bezahlt... und Männer kaperten die Domäne. Wo Frauen früher so breit vertreten waren, warum ist das seitdem dermaßen männerdominiert?
Ein kleiner Teil der Antwort fängt vielleicht schon bei stereotypischen Vorurteilen im trauten Heim an ("Mädel, das ist nichts für dich. Lern doch was anständiges"). Und zieht sich ähnlich durch die gesamte Schulzeit. Ein echter Verlust für alle Bereiche von MINT.
Mit Coolness, Sexy oder gut bezahlt hat das rein gar nichts zu tun. Ich war einer der wenigen in meiner Klasse Mitte der 80er, der sich intensiver mit dem Computer beschäftigt hat und nichts daran wurde damals als cool angesehen, im Gegenteil, für fast alle Mädels war ich ein Freak. Auch in den 90ern änderte sich das nicht. Andernfalls hätte ich mich vor weiblicher Aufmerksamkeit wohl kaum retten können, nicht wahr?
Nachdem ich bereits mit einigen Emanzen aka Feministinnen im MINT-Bereich aneinandergeraten bin, habe ich meine Ansicht dazu revidiert: Nein, ich möchte nicht mehr Frauen in MINT, weil wir uns damit eine Menge Probleme einhandeln, die wir ohne sie einfach nicht haben. Ich will nicht beispielsweise nicht über Identitätspolitik "aufgeklärt" werden, wenn ich einfach nur Informationen suche, wie ich ein bestimmtes programmiertechnisches Problem löse. Oder in jedem zweiten Dokument Horden von Gendersternen vorfinden, die das Verständnis erschweren. Oder Master/Slave oder schwarz/weiß nicht mehr verwenden dürfen, weil es plötzlich rassistisch sein soll, egal in welchem Kontext.
Das solche Themen eingebunden werden, ist ja nicht schlecht per se. Schließlich sind Videospiele Teil der Kultur und die Kultur "formt" die Menschen. Das Problem ist, das ein kleiner Mob laut rum schreit und die schweigende Mehrheit kein Kontra gibt oder nur die Schultern zuckt (mal davon abgesehene, "Ich bin schwul/lesbisch/Kampfhubschrauber" allein macht noch keinen guten Charakter). Schönes Beispiel: als Persona 5 Royal vorgestellt wurde, kam plötzlich der Aufschrei weil Kasumis Kostüm ihre Beine unbedeckt hielt. Der Horror!!!! Ich find es erstaunlich wie puritanisch viele Linke heutzutage geworden sind. Bzw. ungesunde Lebensstyle bewerben nur um die Gefühle solcher Leute nicht zu verletzen. Yuri Bezemnow hatte recht: wir sind demoralisiert worden und wachen nicht mehr daraus auf.
Erst als Software cool wurde schnappten sich die Männer die Jobs und verdrängten weibliche Programmierer. Soviel zum Genderkampf. ;)
Natürlich gab es dabei immer Ausnahmen. Wie du schon schriebst wurden einige große Klassiker von Paaren geschrieben. Andererseits ist hier zum Beispiel eine Liste von Programmierern für Atari 2600. Von 258 Personen sind gerade mal ein Dutzend weiblich.
Das Gegenstück sind Nordamerika und Ostasien, da gingen die Kids nach der Schule in die Arcade und hingen dort - Männlein als auch Weiblein zusammen in den Malls und Arcades ab (meine Frau liebte damals z.B. 1942, und die war auf einer reinen Mädchenschule). Abends zu Hause wurde dann auf dem NES weitergedaddelt. Die Erwachsenen wiederum - andere Arbeitsmentalität in den USA und Asien, dort muss man halt viel Zeit in der Firma verbringen, auch wenn die nicht produktiv ist - nutzten die Zeit um auf ihren Firmen-PCs, die ausgemustert dann auch mit nach Hause kamen, und die gab es hier nicht, schon gar nicht privat nutzbar, dort eben z.B. mit CGA und EGA Grafik ihre frühen Sierra Adventures spielten.
Ich habe noch in den frühen 2000ern für ein Adventure-Spiele Magazin geschrieben und mich entsprechend auch viel in (amerikanischen) Adventure-Spiele-Foren rumgetrieben. Der Frauenanteil dort war enorm und lag locker bei 50 Prozent, teilweise gefühlt sogar höher. Nur deutsche Frauen durfte man damals dort nicht suchen, die Europäer dort waren fast alle männlich. Der Anteil der weiblichen Zocker in Europa stieg erst langsam mit dem Game Boy bei kleinen Mädchen, die dann später zur Playstation griffen.