Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy

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Test Christian Fussy - Redakteur
Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy
Quelle: Marvel Studios

In "Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings" stellt Marvel Studios zum ersten Mal seit "Captain Marvel" wieder einen neuen Avenger vor. Die Hintergrundgeschichte des Titelhelden beinhaltet Kriegerdynastien, einen Assassinenkult, Martial-Arts-Action, Zauberei und mythische Wesen, aber auch ein paar Verbindungen zum restlichen MCU.

Nachdem wir mit "Black Widow" zuletzt einen Ausflug in die Vergangenheit machten, spielt Marvels jüngster Streich "Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings" wieder nach den Ereignissen von "Avengers: Endgame". Oder zumindest teilweise. Der Film beginnt nämlich mit einem Flashback, der uns ein paar Jahrhunderte zurück ins chinesische Kaiserreich wirft.

Dort erfahren wir die Geschichte von Wenwu (Tony Leung Chiu-Wai), einem Eroberer und Träger von zehn magischen Ringen, die ihm Unsterblichkeit und große Macht verleihen. Über 1000 Jahre hat dieser ein Netzwerk von Assassinen erschaffen, die Einsätze auf der ganzen Welt ausführen und so den Lauf der Geschichte beeinflussen. Auf der Suche nach einem sagenumwobenen Dorf inmitten eines magischen Waldes trifft er in den 90er-Jahren dann die Martial-Arts-Meisterin Jiang-Li (Fala Chen), die aus der Ortschaft stammt und über große Kraft verfügt. Die Beiden verlieben sich ineinander und zeugen letztendlich Shang-Chi (jetzt kaufen 9,99 € )(Simu Liu) und seine Schwester Xialing (Meng'er Zhang). Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (5) Quelle: Marvel Studios Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (5)

In der aktuellen Zeit hat Shang-Chi sein Elternhaus jedoch längst verlassen. Nach dem Tod seiner Mutter flüchtete er vor seinem tyrannischen Vater. Seitdem arbeitet er in San Francisco als Einparker vor einem Hotel und lebt zusammen mit seiner besten Freundin Katy (Awkwafina) ein zielloses und von Vergnügen geprägtes Leben. Erst als er eine Postkarte von seiner Schwester geschickt bekommt und kurz darauf von den Schergen seines Vaters heimgesucht wird, beschließt er, sich seiner Vergangenheit ein für alle Mal zu stellen...

Partial Arts

"Shang-Chi" wurde von Hauptdarsteller Simu Liu als ein historischer Moment im Marvel Universum angekündigt. Und tatsächlich führt der Film, auch abgesehen vom Novum eines größtenteils asiatischen Casts, haufenweise neue Elemente ein, die man so noch nicht in einem Marvel-Studios-Film gesehen hat. So setzt Regisseur Cretton bei den Actionszenen zwischendurch auf handgemachte, sauber choreografierte Martial-Arts-Prügeleien, die in ihren besten Momenten an Wuxia-Filme wie "House of Flying Daggers" oder "Tiger and Dragon" erinnern. Das sorgt dafür, dass viele Kämpfe tatsächlich aus dem MCU-Einheitsbrei herausstechen und - zumindest im Fall eines Kampfes zwischen Wenwu und seiner zukünftigen Frau - auch eine eigene Geschichte erzählen und Emotionen ausdrücken. Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (3) Quelle: Marvel Studios Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (3)

Dennoch sind viele der Auseinandersetzungen wie auch schon in "Black Widow" mit auffälligen CGI-Effekten erweitert, wodurch sie leider viel ihrer ursprünglichen Faszination einbüßen. Auch wenn die zugrundeliegende Technik und Stunt-Arbeit beeindruckend ist, der offensichtliche Einsatz der Computertechnologie zerstört häufig die Illusion, dass es sich hier um eine beeindruckende Zurschaustellung von Präzision und Timing handelt, indem er das Gezeigte wirken lässt wie einen billigen Taschenspielertrick.

Dass die Hauptfiguren in allen Kämpfen so ziemlich unverwundbar sind, hat im MCU eigentlich schon Tradition, dennoch wirken die Gegner in "Shang-Chi" noch einmal ganz besonders unfähig. Wenn der Held auf einem Baugerüst gegen Dutzende Ninjas kämpft, dabei immer die Übersicht behält und mühelos an den Stangen herumschwingt als sei er Spider-Man, fühlt man sich eher an ein Videospiel erinnert als an einen Kung-Fu-Film. Dieser Eindruck wird dadurch noch verstärkt, dass selbst eine Figur wie Katy, die keinerlei Training oder Hintergrund in Martial Arts hat, wenig Probleme damit zu haben scheint, die Gefahren zu bewältigen, die sich ihr in den Weg stellen. An einer Stelle baumelt die junge Slackerin über einem Abgrund und droht, in ihren Tod zu stürzen. Dadurch, dass die Szene zu großen Teilen aus dem Computer stammt, wirkt die Bedrohung aber zu keinem Moment greifbar oder echt. Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (4) Quelle: Marvel Studios Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (4)

Kein Ende für die Rückblende

In der zweiten Hälfte wechselt "Shang-Chi" dann vollständig ins Fantasy-Genre. Hier treten mythische Fabelwesen und neue Monsterkreationen auf, Wälder und Gewässer entwickeln ein Eigenleben und das Schicksal der gesamten Welt steht auf dem Spiel. Dieses komplette Abdriften ins Fantastische kennt man vom MCU eigentlich nur von den "Thor"-Filmen und mit Abstrichen von "Doctor Strange". Statt Paralleluniversen, fremde Welten und Planeten besuchen wir in "Shang-Chi" allerdings alte irdische Orte, die von der Zeit unberührt zu sein scheinen.

Wer fürchtet, dass der Fokus auf die Vergangenheit und mystische Legenden bedeutet, dass das Publikum zahlreiche Erklärungs-Brocken über sich ergehen lassen muss, soll Recht behalten. "Shang-Chi" besteht zu einem großen Teil aus Rückblenden und erläuternden Dialogen, die tiefer in die Origin-Stories der Figuren eintauchen. Selbst im letzten Drittel des Films schneidet Regisseur Cretton häufig noch zurück in die Kindheit seines Helden, um weitere Zusammenhänge zu erklären.

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Shang-Chi and The Legend of the Ten Rings: Erster Trailer zum neuen Marvel-Film

Vor allem die beiden weiblichen Hauptfiguren werden dabei schmerzlich unterversorgt. Obwohl Shang-Chis Schwester eine geteilte Vergangenheit mit ihrem Vater und Bruder hat, werden ihre Emotionen größtenteils übergangen und sie beim Showdown zwischen den Familienmitgliedern außen vor gelassen. Sidekick Katy hingegen hat als rund 30-jährige Kalifornierin überhaupt keinen Bezug zu der zentralen Geschichte. Ihre innere Wandlung wird am Ende davon motiviert, dass ihr eine völlig fremde Person eine Weisheit ans Herz legt, die so auch in einem Glückskeks oder einem esoterischen Instagram-Post stehen könnte.

Überhaupt wirken viele Interaktionen zwischen den Figuren steif und erzwungen. So enthalten beispielsweise gleich zwei Szenen, in denen sich Helden erstmals kennenlernen, die Worte "ich bin ein großer Fan", obwohl diese Reaktion beide Male nur wenig Sinn ergibt und auch im Kontext nicht besonders lustig ist. Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (1) Quelle: Marvel Studios Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (1)

Der Herr der Ringe

Der Löwenanteil der Szenen geht neben der Hauptfigur, die Simu Liu mit sehr viel natürlichem Charisma verkörpert, an Tony Leungs Wenwu. Die Hong-Kong-Leinwandlegende ("In the Mood for Love", "Bullet in the Head") liefert dann auch prompt eine der stärksten Darbietungen eines Schurken im MCU ab. Zumindest immer dann, wenn er dem Publikum gerade nichts erklären muss, sondern seine Gefühle einfach durch einen Gesichtsausdruck vermitteln darf.

Obwohl es sich bei seinem Charakter um einen recht eindimensionalen Tyrannen handelt (und Marvel-typisch um einen weiteren schrecklichen Vater), transportiert Leung in seinem traurigen Hundeblick so viel Schmerz und Determination, dass man sich wünscht, der Film würde mehr klassisches Drama und weniger unnötig ausformuliertes Worldbuilding enthalten. Dass seine persönliche Geschichte im letzten Akt vom Marvel-typischen Bombast-Finale begraben wird, ist dabei umso ärgerlicher. Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (7) Quelle: Marvel Studios Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (7)

Die Nebenfiguren, darunter Michelle Yeoh als Shang-Chis Tante und Florian Munteanu als Scherge Razor Fist, sind kaum der Rede wert. Wo Razor Fist in manchen Szenen zumindest die Andeutung einer Persönlichkeit erhält, spielt Yeoh ihre Rolle als stoische Kriegerin routiniert auf Autopilot. Lediglich ein an dieser Stelle nicht verratener MCU-Rückkehrer schafft es, selbst mit einer kleinen Rolle sämtliche Szenen zu stehlen und einen Eindruck zu hinterlassen.

Einen weiteren Gastauftritt absolviert dann Benedict Wong, dem die Aufgabe zusteht, die Ereignisse des Films mit dem größeren MCU in Verbindung zu bringen.

Gute Zutaten, altbackene Präsentation

Abgesehen von dem bereits erwähnten auffälligen CGI bietet "Shang-Chi" technisch aber auch einige Schmankerl. So ist die Kameraarbeit erstaunlich abwechslungsreich, die Actionszenen übersichtlich, Kostüme und Kulissen eine Augenweide, die Musik passend und die Darstellung der magischen Elemente visuell verspielt und nur selten überladen mit Effekten. Nur im Finale gibt es dann die obligatorische ausufernde CGI-Schlacht, die wir schon von anderen Marvel-Filmen gewohnt sind. Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (2) Quelle: Marvel Studios Filmkritik zu Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Marvel macht auf Fantasy (2)

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Als Solofilm zählt "Shang-Chi" trotz viel persönlichem Flair und einer starken und namhaften Besetzung eher zu den mittelprächtigen Ablegern des Franchise, was vor allem an dem übermäßigen Einsatz von Rückblenden und den formelhaften Figuren liegt. Sämtliche Momente, die mehr Tiefe oder interessante Charakterentwicklungen vermuten lassen, werden wohl erst in einem zukünftigen Film aufgegriffen. Was bleibt ist eine solide Origin-Story, die am Ende aber emotionale Resonanz vermissen lässt.

    • Kommentare (1)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von CyrionX Gelegenheitsspieler/in
        Wow, und Au!
        Ich hatte mich so auf einen Martial-Arts Film im MCU gefreut. Die Qualität einer Jackie Chan Choreographie hatte ich zwar nicht erwartet, aber zumindest weit weg von "Guardian of the Galaxy" kämpfen, bei denen schon die grundlegenden Kamera-Schnitte der Kämpfe amateurhaft waren.
        "Leider" war dieses Review jetzt so toll differenziert und stechend, dass ich mir doch nicht mehr soviel Hoffnung mache.
        Anschauen werd ich ihn wohl trotzdem, so richtig schlecht war bisher kaum ein Marvel Film. Aber halt mit viel niedrigeren Erwartungen
        Thanks fürs Review, hätte mich nur geärgert wenn ich da drin sitze und aus dem unwillentlichen kritisieren nicht mehr rauskäme
      • Von CyrionX Gelegenheitsspieler/in
        Wow, und Au!
        Ich hatte mich so auf einen Martial-Arts Film im MCU gefreut. Die Qualität einer Jackie Chan Choreographie hatte ich zwar nicht erwartet, aber zumindest weit weg von "Guardian of the Galaxy" kämpfen, bei denen schon die grundlegenden Kamera-Schnitte der Kämpfe amateurhaft waren.
        "Leider" war dieses Review jetzt so toll differenziert und stechend, dass ich mir doch nicht mehr soviel Hoffnung mache.
        Anschauen werd ich ihn wohl trotzdem, so richtig schlecht war bisher kaum ein Marvel Film. Aber halt mit viel niedrigeren Erwartungen
        Thanks fürs Review, hätte mich nur geärgert wenn ich da drin sitze und aus dem unwillentlichen kritisieren nicht mehr rauskäme
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