Christopher Nolans "Oppenheimer" in der Filmkritik: Männer, die auf Tafeln starren

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Test Christian Fussy - Redakteur
Christopher Nolans "Oppenheimer" in der Filmkritik: Männer, die auf Tafeln starren
Quelle: Universal Pictures

In seinem dreistündigen Mammutwerk Oppenheimer beleuchtet Christopher Nolan die Karriere des Physikers und "Vaters der Atombombe" J. Robert Oppenheimer. Etwas konventioneller als seine letzten Filme, strotzt Oppenheimer dennoch vor den klassischen Merkmalen eines Nolan-Films, großartiger Bild- und Soundqualität und etlichen Filmstars.

Wenige moderne Filmemacher haben eine so große und laute Fanbase wie Inception-Regisseur Christopher Nolan. Jedes neue Werk des Briten ist ein Event, wird schon im Vorfeld zum Meisterwerk erhoben und im Nachgang für Wochen hitzig im Internet diskutiert. Filmnerds lieben ihn als Botschafter für das Kinoerlebnis und seinen Einsatz praktischer Effekte und analoger Photographie. Die breite Masse verehrt ihn schlicht als Spezialist für erwachsene Popcorn-Filme wie The Dark Knight und Dunkirk. Ich zähle mich zwar bei Weitem nicht zu seinen größten Fans, hege aber zumindest große Bewunderung für seine kompromisslose Art und technische Verspieltheit bei der Filmproduktion sowie seine Bemühungen in den Bereichen der Filmrestauration und -aufführung. Nolan-Filme sind immer zweifellos Kino-Filme und sollten, wenn möglich, in diesem gesehen werden.

Darum geht's in Oppenheimer

Oppenheimer spielt in der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts und behandelt das Leben und die Karriere des namensgebenden Wissenschaftlers (Cillian Murphy), der als leitender Berater maßgeblich an der Entwicklung der Atombombe beteiligt war. Die Handlung des Films lässt sich recht gut in drei verschiedene Phasen aufteilen, auch wenn es keine klassischen Kapitel oder Akteinblendungen gibt. Etwa die erste Stunde behandelt Oppenheimers (jetzt kaufen 13,62 € ) akademischen Aufstieg, seine Bildungsreisen und Vorträge und sein Knüpfen von Bekanntschaften innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Er begegnet berühmten Kollegen und Mentoren wie Niels Bohr (Kenneth Branagh), Werner Heisenberg (Matthias Schweighöfer), Albert Einstein (Tom Conti), Isidor Isaac Rabi (David Krumholtz) und Ernest Lawrence (Josh Hartnett). Aber auch seine Kontakte zur kommunistischen Partei, in der sowohl sein Bruder Frank (Dylan Arnold), als auch sein Freund, der Literaturprofessor Haakon Chevalier (Jefferson Hall, "House of the Dragon"), Mitglieder sind, werden beleuchtet.

Oppenheimer (2023): Cillian Murphy, Tom Conti Quelle: Universal Pictures Im Mittelteil dreht sich alles um die Rekrutierung von Physikern für das Manhattan Project und dessen Durchführung unter Leitung von Oppenheimer und Col. Leslie Groves (Matt Damon).

Die letzte Phase behandelt dann die persönlichen Konsequenzen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki für Oppenheimer sowie die über vier Wochen geführte Anhörung, die über die Entziehung seiner "Security Clearence" und damit den Ausschluss von geheimen Regierungsprojekten entscheiden sollte. Hier sind unter anderem Robert Downey Jr. als Lewis Strauss, Vorsitzender der Atomenergiebehörde, Jason Clarke als Ausschussleiter Roger Robb und Macon Blair als Oppenheimers Anwalt Lloyd Garrison zu sehen.

In Nolan-typischer Manier werden die Ereignisse aber nicht gänzlich linear präsentiert. Nolan und Cutterin Jennifer Lame (Tenet) schneiden gelegentlich zwischen den einzelnen Zeitlinien hin und her. Einige der in der Chronologie des Films zukünftigen Ereignisse werden dabei durch Schwarz-Weiß-Fotografie hervorgehoben. Die Erzählstruktur hat zur Folge, dass wir spätestens zur Mitte des Films bereits mit allen Figuren vertraut sind, aber nicht zwingend mit ihren Rollen innerhalb der Geschichte.

Oppenheimer (2023): Matt Damon, Cillian Murphy Quelle: Universal Pictures

Nolan im Biopic-Modus

Wer jetzt befürchtet, schon wieder nach einem Nolan-Film aus dem Kino zu kommen und erst mal eine Anleitung zu brauchen, was genau wann passiert ist, kann an dieser Stelle beruhigt aufatmen: Die Narrative ist trotzdem jederzeit nachvollziehbar und das Pacing angenehm flott.

Unnötige oder zu lange Szenen gibt es dennoch einige. Der ganze erste Akt gestaltet sich zu zerfahren und vollgestopft mit unnötigen Szenen und Informationen. Während Begegnungen mit diversen Physikern wie Heisenberg Raum gegeben wird, ohne dass diese maßgeblich die Handlung beeinflussen, verläuft die Beziehung zur Kommunistin Jean Tatlock (Florence Pugh), die wir als einschneidendes Erlebnis wahrnehmen sollen, im Schnelldurchlauf ab.

Oppenheimer (2023): Cillian Murphy, Florence Pugh Quelle: Universal Pictures Viele Szenen an der Universität Berkeley, wo Oppenheimer als Professor arbeitete, sind für einen Nolan-Film erschreckend konventionell und bedienen sich bei zahlreichen Film- und Biopic-Klischees. Wir wissen in erster Line deshalb, dass Oppenheimer ein brillanter theoretischer Physiker ist, weil es uns ständig gesagt wird. Kollegen loben ihn mit Statements wie "du verstehst Quantenphysik" oder "keiner kennt Isotope so wie du, Robert". Sein herausragender Intellekt wird besonders deutlich, wenn ihm jemand ein Stichwort gibt und er dann sofort wie ein Wilder Formeln an Tafeln schreibt, um dann in Denkerpose davor zu stehen.

Weil sein wohl berühmtestes Zitat "I am become death, the destroyer of worlds" ursprünglich aus einer hinduistischen Schrift stammt, muss natürlich auch sein Wissen über dieses Thema noch schnell aufgegriffen werden. Da Gespräche über Literatur und Religion aber keinen besonderen visuellen Reiz versprühen, bedient sich Nolan hier eines Kniffs, den er in der Game-of-Thrones-Schule für Exposition gelernt hat. So hopst Florence Pugh beim Sex mit Oppenheimer plötzlich aus dem Bett, um ein bisschen nackt in seinem Bücherregal herum zu stöbern. Nicht, dass ich mich über den Anblick beschweren würde, aber etwas lächerlich wirkt es schon, wenn die beiden in der Kiste dann den obigen Spruch zitieren, als wäre er das reinste Aphrodisiakum.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der Entwicklung der Atombombe wird der Film deutlich interessanter und profitiert von dem stärkeren Fokus auf die individuellen Persönlichkeiten der beteiligten Physiker - und das verheerende Ausmaß ihrer Erfindung.

Die Szenen in Los Alamos, wo das Labor zur Entwicklung der Superwaffe aufgebaut wird, sind großartig eingefangen. Vor allem der gefährliche Waffentest, der prominent in den Trailern und Featurettes zu sehen war, ist eine unglaubliche Sequenz, deren Sound einen richtig in den Kinosessel drückt.

"Oppenheimer" in der Filmkritik: Männer, die auf Tafeln starren Quelle: Universal Pictures

Starpower in sämtlichen Rollen

Oppenheimer ist immer dann am besten, wenn sich Nolan komplett auf die hervorragenden Spezialeffekte oder seinen Cast aus Megastars verlässt. So uneben und überfrachtet der Film an vielen Stellen ist und so sperrig manche Dialoge klingen, wenn die Schauspieler in ihren Rollen als Wissenschaftler, Militärs oder Bürokraten Konflikte einfach spielen, statt sie für das Publikum zu erklären, ist das fesselnd.

Cillian Murphy, dessen Gesicht häufig die gesamte Leinwand einnimmt, spielt die Hauptrolle allerdings mit erstaunlicher Zurückhaltung. Er serviert uns keine ausschweifenden Monologe und zeigt nur ganz selten offen die Gefühle seiner Figur. Selbst in drastischen Momenten reagiert er häufig nüchtern und ergebnisorientiert. Das ist definitiv eine eigenartige und interessante Performance, führt aber auch dazu, dass wir am Ende des Films nicht viel schlauer sind als am Anfang, was die reale Vorlage J. Robert Oppenheimer betrifft. Wir erfahren zwar zahlreiche Fakten über seine Biographie, seine wahren Überzeugungen und sein Innenleben bleiben aber über weite Strecken ein Enigma.

Neben Murphy haben auch Matt Damon, Benny Safdie und Robert Downey Jr. essenzielle Parts und spielen diese mit Bravour. In kleineren Rollen überzeugen vor allem Josh Hartnett als Ernest Lawrence, ein Freund Oppenheimers, der wegen seiner anti-kommunistischen Einstellung häufig mit ihm aneinandergerät, und David Krumholtz als Isidor Isaac Rabi, der vermutlich größte Sympathieträger des Films.

Oppenheimer (2023): Robert Downey Jr., Cillian Murphy Quelle: Universal Pictures Im Gegensatz dazu steht Emily Blunt als Oppenheimers Frau Kitty. Die hat in ihrer Rolle nämlich nichts Substanzielles zu tun. Nach einem kurzen Gespräch mit Oppenheimer ist sie eine Szene später schon mit ihm verheiratet, ihre persönlichen Probleme werden kurz angedeutet und dann nie wieder erwähnt. Den Rest des Films steht oder sitzt Kitty eigentlich nur herum und schaut betroffen. Weder das Familienleben Oppenheimers noch seine Beziehung zu Kitty spielen irgendeine Rolle innerhalb der Geschichte, weshalb ich mich schon frage, warum die Figur überhaupt im Film ist - und von einer berühmten Schauspielerin wie Emily Blunt gespielt wird.

Oppenheimer (2023): Emily Blunt Quelle: Universal Pictures Es ist klar, dass in einem so großen Ensemble nicht jeder Star auch eine große Rolle einnehmen kann. Auch andere bekannte Namen wie Jack Quaid, Rami Malek, Gary Oldman, Olivia Thirlby und Alex Wolff sind teilweise nur in einer einzelnen Szene zu sehen. Bei einigen von ihnen würde ich sogar eher von Gastauftritten sprechen. Aber Blunt ist hinter Murphy der zweite Name auf dem Poster und in den Trailern. Neben Pugh hat sie definitiv die undankbarste Rolle und Nolan scheint an ihrer Figur am wenigsten interessiert. Selbst wenn er in einer Szene kurz ihre Perspektive einnimmt, tut er das nur in Bezug auf Oppenheimer. Einen wirklich eigenen Charakter außerhalb ihres Ehemannes gewährt ihr der Regisseur und Drehbuchautor nicht.

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Oppenheimer ist trotz allem eine gute Filmerfahrung, aber es ist ein Film, der schlechter wird, je mehr ich über ihn nachdenke. Dennoch würde ich ihn am Ende nicht nur Fans des Regisseurs empfehlen - allein schon wegen der Stärke einzelner Performances und der spektakulären Effektsequenz in der Mitte.

    • Kommentare (10)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Robhob NPC
        Zitat von Cortex79
        Ich liebe Nolan. Interstellar unangefochten auf dem Thron. Mich catcht leider das Thema weniger. Ich bin recht belesen im Thema, trotz allem habe ich die Epoche des atomaren Wettlaufs und folgenden kalten Kriegs der Kriegs- und Nachkriegsjahre irgend wie über. Ich werde warten und irgend wann günstig nachholen.
        Wirklich, sein bei weitem schlechtester Film (hab Oppenheimer nicht gesehen, aber schlimmer gehts nicht)? Ja bis zur Mitte ist der schon super, aber ab dann wirds so ein Schwachsinn, Logik fliegt komplett űber Bord, es wird nur noch albern und das trotz der angeblich hohen wissenschaftlichen Akkuratesse...

        Aber wirklich schade, der Film hätte mega werden können, wenn nicht die Lösung "Deus Ex Machina", widersprüchliches Paradoxon und "ich finde die Lösung in meinem Kinderzimmer" wäre....
      • Von Robhob NPC
        Zitat von Cortex79
        Ich liebe Nolan. Interstellar unangefochten auf dem Thron. Mich catcht leider das Thema weniger. Ich bin recht belesen im Thema, trotz allem habe ich die Epoche des atomaren Wettlaufs und folgenden kalten Kriegs der Kriegs- und Nachkriegsjahre irgend wie über. Ich werde warten und irgend wann günstig nachholen.
        Wirklich, sein bei weitem schlechtester Film (hab Oppenheimer nicht gesehen, aber schlimmer gehts nicht)? Ja bis zur Mitte ist der schon super, aber ab dann wirds so ein Schwachsinn, Logik fliegt komplett űber Bord, es wird nur noch albern und das trotz der angeblich hohen wissenschaftlichen Akkuratesse...

        Aber wirklich schade, der Film hätte mega werden können, wenn nicht die Lösung "Deus Ex Machina", widersprüchliches Paradoxon und "ich finde die Lösung in meinem Kinderzimmer" wäre....
      • Von i-max53 NPC
        Oh mein Gott. Bin zufällig hier gelandet.
        Also eine kompetenzfreiere Rezension hab ich bisher nirgendwo gelesen.
        Oppenheimers Frau war eine depressive Alkoholikerin. Das Spiel von Blunt zB war nuanciert und herausragend. Kann man für das gesamte Schauspielerriege so bewerten.
        Maleks Rolle war zwar winzig aber wichtig. Schließlich führten nicht zuletzt seine Ausführungen vor dem Senat zur Nichtwiederwahl von Strauss.
        Sie haben leider nicht die geringste Ahnung vom Medium Film. Bleiben Sie bitte lieber beim Rezensieren von PC Games (wie der Name Ihrer Website sowieso suggeriert).
        Und nein, ich bin kein Nolan-Fan. Hab gar nicht alle Filme gesehen.
        Oppenheimer ist grandioses, fesselndes Kino (wahrscheinlich nut erkennbar für Kinoliebhaber ab 30 - und nichts für 16 jährige Gamer, die glauben, wenn das MCU vor Greenscreens rumhampelt, das wär lustig und toll). Schuster bleibt bei Euren Leisten.
      • Von inano Spiele-Novize/Novizin
        Zitat von SethWinterstein
        Danke für deine ausführliche Kritik!
        Immer wieder gerne! :)
      • Von SethWinterstein Spiele-Enthusiast/in
        Zitat von inano
        Ich bin selten mit Chritian Fussy einer Meinung aber dieses mal kann ich seine Kritik nur zu 100% unterschreiben.
        Danke für deine ausführliche Kritik!
      • Von inano Spiele-Novize/Novizin
        Ich bin selten mit Chritian Fussy einer Meinung aber dieses mal kann ich seine Kritik nur zu 100% unterschreiben.

        Ich war am Samstag im Kino und kann nicht sagen, dass mich "Oppenheimer" gelangweilt oder nicht unterhalten hat aber dennoch muss sagen, dass der Film paradoxerweise ziemlich lahm, zäh und etwas am Thema vorbei gedreht wurde. Ich und einige andere haben nach einer gewissen Zeit immer wieder auf die Uhr geguckt (ja, Analoguhr). In Gedanken kam mir, dass der Film doch langsam zu Ende sein könnte.

        Der Cast ist gut bis sehr gut. Allen voran Cillian Murphy war herausragend! Nur muss man sich auch fragen muss warum diverse Charaktere überhaupt in dem Film gezeigt wurden, wenn sie dennoch nur Randfiguren sind und stellenweise nur kurzfristige Seelsorger/Stichwortgeber darstellen. In einer Szene ist ein Charakter immerhin da und in den danach folgenden Szenen ist es nicht mal mehr eine Randbemerkung wert. Traurig ist halt, dass in einem drei stündigen Film viel erzählt wird ohne wirklich etwas zu erzählen.

        In dem Sinne hatten leider so einige Schauspieler:Innen so viel verschenktes Potential. Bei Florence Pugh hatte man irgendwie das Gefühl, dass bei ihr eher die Sexszenen im Fokus standen, die es nicht gebraucht hätten. Für Rami Malek gab es einfach nichts zu tun, außer eine wichtige Szene (dass der Mann mehr kann hat man in "Bohemian Rapsody" und "Mr. Robot" gesehen).

        Emily Blunts Charakter wurde mehr als nervige Zicke dargestellt, obwohl sie als Ehefrau sicherlich facettenreicher war. Relevant für die gesamte, erzählte Geschichte war sie auch nur in einer Szene.

        So viele namenhafte Schauspieler:Innen in einem Film und kaum jemand hatte wirklich etwas zu tun. Wenn manche Charaktere nach gefühlt einer halben Stunde doch nochmal auftauchen hatte ich den Gedanken: "Oh stimmt, die Person gibt’s ja auch noch."

        Die Thematik mit dem Kind Oppenheimers hätte es auch nicht gebraucht, weil es nicht auserzählt wurde, sondern auch nur eine Randbemerkung war, ebenso wie die Schauspieler:Innen, die sich um das Kind gekümmert haben und daher nur kurz eingeführt wurden aber dann nie wieder gesehen werden, denn das war auch mehr gefühlt eine Fußnote.

        Robert Downey Jr., den ich an sich als Schauspieler schätze, fand ich auch eher schwach. Sein Schauspiel wirkte eher so als hätte er einen greisigen Tony Stark gespielt.

        Die Filmmusik ist großartig! Das was Ludwig Göransson da komponiert hat hört sich wundervoll an, nur wirkt sie deplatziert. Wenn man die Augen schließt könnte man denken, dass man "Blade Runner" guckt, abgesehen davon dass einem kaum Szenen dargeboten werden die ohne Musik auf Zuschauer:Innen einwirken durften. Gerade wieder in den ersten 2/3 des Films wird man quasi dauerbeschallt. Etwas mehr Demut (immerhin ist die Musik meistens "brachial" und schwankt von etwas dezent bis laut) wäre im Film deutlich angebrachter aber dieses Opulente dient wieder mehr zur Ablenkung von einer Erzählung die nicht wirklich etwas erzählt.

        Wie immer gelingt es Nolan ein riesen Fass aufzumachen macht es aber nur halbgar, denn die Geschichte Oppenheimers in drei Stunden zu zeigen ist so als würdest man die Geschichte der Welt in einer dreiteiligen Miniserie verpacken. Wichtige und essentielle Charaktere bleiben einfach auf der Strecke. Da macht es keinen Unterschied, dass Nolan inszenatorisch fast immer abliefert, sei es vom Set oder von den handgemachten Special Effects (ich war wirklich beeindruckt wie man die Atombombenexplosion simuliert hat). Dennoch merkt man immer wieder aufs Neue, dass Nolan seine typische Formel mit einem Zeitthema und auch gerne etwas Agentenmäßiges einbauen muss, woran man metaphorisch schon fast die Uhr stellen kann. Ich finde es einfach schade, dass Nolan es einfach nie schafft über seinen Schatten zu springen, obwohl in seinen Filmen so viel Potential steckt, die er aber durch seine Nolan-Formel immer wieder zerstört.

        Die kurz angedeutete Kritik an der Arbeit Oppenheimers kam auch viel zu kurz, ebenso wie die soziale Komponente, die Oppenheimers Familie betrifft. Davon hätte ich auch gerne mehr gesehen, weil sie den Charakter – wir reden hier immerhin von einem Biopic – besser durchleuchtet hätte.

        Etwas Gutes hatte der Film auf jeden Fall: Er hat mein Interesse an J. Robert Oppenheimer als Person geweckt aber das ist für ein Biopic auch ziemlich schwach, denn irgendwie ist es schade, dass man im Vorfeld oder im Nachhinein mehr recherchieren muss, um die starke Blässe in Schärfe zu verwandeln. Wenn die Intention von Nolan und "Oppenheimer" genau das war, dann hat der Film natürlich alles richtig gemacht und sein Ziel erfüllt.
        Wenn nicht war selbst "Elvis" als Biopic, der auch nicht gerade stark war, erleuchtender, was den Charakter angeht.

        Dem Film hätte es auch wirklich gut getan wenn man ihn stringent erzählt hätte, anstatt mal wieder mit Zeitsprüngen zu arbeiten. Das hätte allen Charakteren gut getan, weil sie dann nicht wie hineingeworfen gewirkt hätten. Auch dieser Film beweist, dass Nolan von seinen schlechten Erzählweisen und seinen platten Geschichten ablenkt, in dem er pathologisch Filme wirr bis unübersichtlich machen muss.
        Dass Nolan, wegen seinem Wirr Warr den Zuschauer:Innen immer wieder zeigen bzw. von den Charakteren erzählen lassen muss was passiert war auch wieder typisch. Der Dialog im Zug ist das präsenteste Beispiel daran, weil Charaktere im Vorfeld erzählen was als nächstes passiert und dann beim nächsten Szenenwechsel genau das Gesagte gezeigt wird.

        Prinzipiell hatte ich das Gefühl, dass ich in den ersten 2/3 des Films einen Trailer geguckt habe (kurzer Dia- oder Monolog->Szenenwechsel; kurzer Dia- oder Monolog->Szenenwechsel; kurzer Dia- oder Monolog->Szenenwechsel und das permanent wiederholend). Es wirkte mehr so als müsste Nolan krampfhaft Zitate herunterrattern, weil er sie gut und wichtig fand. Grundsätzlich hat mich das letzte Drittel deutlich mehr abgeholt, weil die Erzählweise etwas stringenter war und bei weitem nicht so gehetzt.

        Wenn man mich fragt fehlt es "Oppenheimer" am Fokus. Die Person Oppenheimer, also sein Charakter und sein Privatleben, wird so gut wie gar nicht durchleuchtet, seine Mitarbeit am Manhattan Project ist auch zu wenig (darüber gibt es ja durchaus schon diverse Filme), der Politthriller-Aspekt hat etwas mehr Spielraum, nimmt aber dennoch nicht den Platz ein, den er verdient hätte und als allgemeine Kritik am Werk der Atombombe mangelt es leider auch.

        Ich verstehe immer weniger den Hype um Nolan, weil er immer dasselbe macht: Komplexität suggerieren, obwohl die Geschichte bei weitem nicht so komplex ist wie angedeutet. Dabei ist Oppenheimers Leben komplex genug, wenn man sie richtig erzählen würde, denn gerade die Charaktere selbst machen die Geschichte komplex, da braucht es nicht noch zusätzlich eine wirre Erzählstruktur. Der Verdacht liegt nahe, dass Nolan im wahrsten Sinne des Wortes nur die Bombe platzen lassen wollte. Mittlerweile bin ich bei dem Punkt, dass ich sagen muss, dass Nolan ein Blender ist.

        Im Vergleich zu "Oppenheimer" gucke ich mir dann doch lieber nochmal "A Beautiful Mind" oder auch "The Imitation Game" an, weil sie besser erzählt und vor allem die besseren Biopics über einen Mathematiker bzw. Physiker sind.
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