25 Jahre Fallout: Ein Rückblick auf das Rollenspielepos

Die Endzeit: Obwohl sich kaum ein Mensch im echten Leben eine Apokalypse wünscht, so sind viele von der Thematik fasziniert und möchten sie gerne in Form von fiktiven Büchern, Filmen oder Computer- und Videospielen erleben. Ansonsten wäre der anhaltende Erfolg der Fallout-Serie kaum zu erklären, die in diesen Tagen 25 Jahre alt geworden ist. Aufgrund der damaligen Hardware-Limitationen war sie zu Beginn optisch nicht so opulent wie die heutigen Ableger - aber vom ersten Teil an spielerisch wie atmosphärisch ein Genuss.

Wasteland und die ersten Fallout-Spiele

Der Klassiker Wasteland hat viel mit der Geburt von Fallout zu tun. Interplay trifft 1988 mit dem aus heutiger Sicht grafisch kargen Rollenspiel einen Nerv: Der US-Entwickler gestaltet ein glaubhaftes Szenario, in dem sich der Spieler mit den Gefahren einer nuklearen Welt und der Skrupellosigkeit der Überlebenden auseinandersetzen muss. Quelle: Bethesda Pixelgrafik in schräger Kavalierperspektive: Das erste Fallout versprüht 25 Jahre nach Release allerfeinsten Retro-Charme. Neun Jahre später ist Interplay vom Entwickler zum Publisher gereift und will das Endzeit-Thema neu aufleben lassen. So entsteht das erste Fallout unter der Führung von Branchenurgestein Feargus Urquhart und den neu gegründeten Black Isle Studios. Der Ausgangsplot ist schnell erklärt: Die Welt wird 2077 durch einen Atomkrieg völlig zerstört. Knapp hundert Jahre später leben viele Überlebende weiterhin in Bunkern, die auch im Deutschen als "Vault" bezeichnet werden. Plötzlich stehen die Bewohner von Vault 13 vor einem Problem: Die Wasseraufbereitungsanlage geht kaputt, und ein Ersatzteil ist nirgends aufzutreiben. Deshalb muss der Spieler den Bunker verlassen, die radioaktiv verstrahlte Oberfläche des Ödlands betreten und sich auf die Suche nach einer Lösung begeben.

Die Grafik von Fallout setzt auf eine Kavalierperspektive, die den isometrischen Action-Adventures der 1980er-Jahre ähnelt. Das Spiel lebt von seiner dreckigen Atmosphäre, dem bewusst trostlosen Szenario und einer guten Portion schwarzem Humor, damit die Endzeit nicht nur bedrückend, sondern auch unterhaltsam ist. Obwohl Fallout heute anders aussieht als damals, ist die Essenz in allen Hauptteilen der Serie sehr ähnlich: Man erstellt nur einen zentralen Hauptcharakter, der von bis zu vier NPC-Kumpanen begleitet werden darf - wozu auch der treue Hund Dogmeat gehört. Wichtige Elemente wie der tragbare Computer Pip-Boy, mit dem man Quests, Karten und Ausrüstung verwaltet oder das Erfrischungsgetränk Nuka-Cola sind von Anfang an Bestandteil der Fallout-Franchise.

Hinter dem sogenannten S.P.E.C.I.A.L.-System von Fallout steckt ein gewitztes Akronym, das aus den Attributen Stärke, Wahrnehmung, Ausdauer, Charisma, Intelligenz, Beweglichkeit und Glück besteht. Quelle: Bethesda Gleichwohl die Grafik von Fallout Tactics sehr den ersten beiden Teilen ähnelt, liegt der Fokus auf komplexen, taktischen Kämpfen, die eher an ein Strategie- anstatt ein Rollenspiel erinnern. Es ist zum Manifest des Regelwerks geworden, nachdem Interplay die Rechte am ursprünglich eingekauften Pen-and-Paper System namens GURPS verloren hatte. Hinzu kommen individuelle Fähigkeiten wie Schlösserknacken oder Schleichen sowie Merkmale wie ein schnellerer Stoffwechsel oder eine höhere Treffsicherheit. Nur in einem Punkt unterscheidet sich das alte Fallout stark von den neueren Serienteilen: Konfrontationen und Kämpfe werden in rundenbasierenden Zügen ausgetragen, was vor allem dem Hobby-Taktiker gefällt. Weil Black Isle Studios ein sehr gutes Rollenspiel abliefert, folgt 1998 mit Fallout 2 eine gelungene Fortsetzung. Zudem erscheint 2001 mit Fallout Tactics ein anspruchsvolles Strategie-Spin-off. Beide Titel basieren auf den technischen Errungenschaften des Vorgängers aus und profitieren ebenfalls von gut geschriebenen Dialogen. Nicht ganz so erfolgreich ist der Action-Rollenspiel-Ableger Fallout: Brotherhood of Steel, der 2004 exklusiv für PlayStation 2 und Xbox erscheint.

Fallout 3: Eine neue Ära beginnt!

All das rückt in den Hintergrund, als Interplay in finanzielle Schwierigkeiten gerät und die Rechte für Fallout 3 an Bethesda Softworks abgibt. Der Entwickler der legendären Fantasy-Rollenspielreihe The Elder Scrolls sieht für sich die Chance, seinen eigenen Horizont zu erweitern und sich selbst dem immer beliebter werdenden Endzeit-Setting anzunehmen. Quelle: Bethesda Die Kämpfe in Fallout 3 finden zwar in Echtzeit statt, können aber dank V.A.T.S. jederzeit pausiert werden. Die Ankündigung wird von Fans anfangs mit Skepsis aufgenommen, allein weil das neue Fallout aus der Ego-Perspektive gezeigt wird und man maximal nur einen NPC-Kumpanen rekrutieren darf. Die Kämpfe erinnern deshalb auf den ersten Blick weniger an taktische Gefechte und mehr an einen schnellen Ego-Shooter wie Doom oder Quake. In der Tat ist 2008 veröffentlichte Fallout 3 weniger anspruchsvoll als seine Vorgänger, dafür umso zugänglicher. Die offene Spielwelt ist komplett in 3D gestaltet und sieht selbst heute noch äußerst ansehnlich aus. Sie steckt voller Orte, Charaktere und Geheimnisse, in denen man sich als Spieler verlieren kann. Allein das akribische Sammeln von Kronen, heilenden Stimpaks oder Ausrüstungen macht regelrecht süchtig. Überhaupt begeistert Fallout 3 von der ersten Minute an - dank der gewitzten Idee, die Charaktererstellung in Form einer Geburt umzusetzen. Der Spieler kommt nämlich in einem Kreissaal zur Welt und gibt sein Geschlecht sowie seinen Namen an, während der Arzt die Nabelschnur trennt. Danach folgen weitere Passagen aus der Kindheit, in denen man unter anderem die S.P.E.C.I.A.L.-Schwerpunkte bestimmt. Alles sieht danach aus, als ob der Protagonist sein ganzes Leben lang im Vault 101 verbringen muss, bis sein Vater verschwindet und auch er zur Flucht aus dem Bunker gezwungen wird. Es ist das erste Mal, dass der Protagonist das Sonnenlicht mit eigenem Auge sieht, was das Spiel mit einem grellen Lichteinfall simuliert. Ein epischer Moment, der vielen Spielern unvergesslich bleibt!

Quelle: Bethesda Der Prolog von Fallout 3 gehört zu den  besten, den die Spielwelt je gesehen hat, und vollführt die Charaktererstellung in Form von mehreren Kindheitsstadien, die der Hauptcharakter durchlebt.

Die Story von Fallout 3 wird geprägt von mysteriösen Charakteren wie Mister Burke, der einem das Schicksal über die Stadt Megaton überlässt: In deren Zentrum liegt eine ausrangierte Atombombe, die der Spieler per Knopfdruck zünden und somit einen ganzen Ort von Fallout 3 vernichten darf. Eine Option, die sich selbst heute kaum ein Spiel trauen würde.Um die Fans der Vorgänger und Liebhaber taktischer Rollenspiele nicht komplett zu vergraulen, erfindet Bethesda das sogenannte V.A.T.S.-System: Es erlaubt dem Spieler, die Echtzeitkämpfe jederzeit zu pausieren und durch den Einsatz von Aktionspunkten in Ruhe sowie gezielt auf ein Körperteil des Gegners zu schießen. Dank der vielen Errungenschaften, einer fabelhaften Atmosphäre und toll geschriebener Dialogen wird Fallout 3 eine ganz besondere Ehre zuteil. Es gewinnt den prestigeträchtigen Game Developers Choice Award für das Beste Spiel des Jahres 2008 und setzt sich gegen die harte Konkurrenz vom Jump'n'Run LittleBigPlanet bis hin zum Open-World-Kracher Grand Theft Auto 4 durch.

Fallout: New Vegas - Die Glückspielmetropole lockt!

Für den nächsten Teil kooperiert Bethesda mit Entwickler Obsidian Entertainment, der größtenteils aus ehemaligen Mitarbeitern von Black Isle Studios besteht und sich somit bestens mit der Serie auskennt. Quelle: Bethesda Die Kasinos von Fallout New Vegas glänzen mit einer prächtigen Ausstattung, die sich selbst zwölf Jahre später noch sehen lassen kann. Fallout: New Vegas erscheint 2010 und erweitert das Konzept des Vorgängers, indem es dem Spieler noch mehr Freiheiten gönnt und ihn und einschneidende Entscheidungen treffen lässt. Allen voran kann er sich großen wie kleinen Fraktionen anschließen, die gegensätzliche Ziele verfolgen. Der Lohn ist ein sehr hoher Wiederspielwert: Wer Fallout: New Vegas mehrmals von Neuem beginnt und nach und nach alle möglichen Optionen durchgeht, der erlebt ständig etwas Neues. Etwas schade: Zum Release erhält Fallout: New Vegas zwar gute, aber aufgrund vieler Bugs keine so spektakulären Kritiken wie der Vorgänger. Das Spin-off gewinnt erst im Laufe der Jahre an Reputation und wird heutzutage immer häufiger als der beste Fallout-Teil bezeichnet.

Fallout 4: Ein wahrhaft riesiges Abenteuer

Fünf Jahre später setzt Fallout 4 erneut auf eine offene 3D-Spielwelt und fasziniert wieder mit einem hervorragend inszenierten Prolog. Diesmal darf der Spieler mit eigenen Augen ansehen, wie der alles vernichtende Atomkrieg beginnt und man für sich und seine Familie im letzten Moment einen Platz im Vault erhält, kurz bevor die erste Bombe einschlägt. Quelle: Bethesda Und da ist die Katastrophe passiert: In Fallout 4 wird man Zeuge, wie der nukleare Holocaust im Jahre 2077 seinen Anfang nahm. Während eines 210-jährigen Schlafs in einer Kryokammer wird man Zeuge, wie der Lebenspartner getötet und der gemeinsame Sohn entführt wird. Danach wacht man als einziger Überlebender von Vault 111 auf und begibt sich auf die Oberfläche, um Antworten zur persönlichen Tragödie zu finden. Fallout 4 begeistert vor allem durch seine Detailverliebtheit. So hat der treue Roboter Codsworth fast tausend Namen gespeichert, mit denen er den Spieler in einer glasklaren Synchronstimme anspricht - darunter bewusst alberne wie "Bond", "McFly" oder "Picard". Wieder gibt es unzählige Quests, mehrere Fraktionen und eine offene Spielwelt zum genussvollen Austoben. Darüber hinaus erhält man erstmals die Möglichkeit, ganze Gebäude und gar kleine Siedlungen zu errichten. Diese werden nach und nach mit NPCs bevölkert, die sich als Wachposten nützlich machen, als Ladenverkäufer arbeiten oder sich um den Nahrungsanbau und das Bewirtschaften von Feldern kümmern.

Die aktuelle Generation: Fallout Shelter & Fallout 76

Wer überhaupt lieber solche Simulationen anstatt Open-World-Rollenspiele mag, für den ist der ebenfalls 2015 veröffentlichte Free2Play-Titel Fallout Shelter genau das Richtige: Quelle: Bethesda Fallout Shelter ist ein netter Zeitvertreib für zwischendurch, der den Fan zum Leiter eines Vaults macht. Er macht den Spieler zum Manager eines Vault, in dem er Räume wie Kantinen, Generatoren oder Krankenstationen baut, und die Bewohner möglichst effizient zuordnet. Dazu kommt eine charmante Comic-Grafik, die sich am Serien-Maskottchen Vault Boy orientiert. Der bislang jüngste Ableger der Fallout-Serie ist das Online-Spiel Fallout 76, das zum Release im Jahr 2018 einiges an Kritik einstecken muss. Die meisten Spieler sind von fehlenden menschlichen NPCs und viel zu vielen Bugs enttäuscht. Bethesda Softworks nimmt sich die Kritik zu Herzen und arbeitet seither daran, Fallout 76 zu verbessern und zu erweitern. Eine besonders gelungene Erweiterung war das 2020 veröffentlichte Add-on Wastelanders, das richtige NPCs einführt und viele spannende Quests bietet. Fallout 76 ist damit auf dem besten Weg, die beliebtesten Vorgänger vielleicht doch noch einzuholen oder gar zu überflügeln. Darüber hinaus stehen die Chancen gut, dass die Fallout-Reihe weiterhin blühen und gedeihen wird. Bethesda hat jedenfalls ein Fallout 5 in Aussicht gestellt, auch wenn es der Entwickler erst nach der Fertigstellung von The Elder Scrolls 6 in Angriff nehmen möchte und weshalb man mit keinem Release vor dem nächsten Jahrzehnt (!) rechnen sollte. Bis dahin müssen sich Fans mit der TV-Serie von Amazon trösten, die von Westworld-Mastermind Jonathan Nolan stammt und vermutlich deutlich früher erscheint. Oder man spielt einfach noch einmal die alten Teile durch, die nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben. Schließlich heißt es doch damals wie heute so schön: "Krieg, Krieg bleibt immer gleich".

Quelle: Bethesda Endlich „Menschen“: Seit der Erweiterung Wastelanders trifft man im Online-MMORPG Fallout 76 auch auf humanoide NPCs.