Edgar Wright - Der moderne Inszenierungsmeister

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Special Robin Mahler - Autor
Edgar Wright - Der moderne Inszenierungsmeister
Quelle: Universal; Sony

Gute Freunde, Musik, Getränke, überzeichnete Gewalt und ein riesiger Haufen Referenzen an die Popkultur. Das sind einige der Inhalte aus den Filmen von Edgar Wright. Dessen neuestes Machwerk "Baby Driver" läuft ab dem 27. Juli 2017 im Kino.

Ein paar Männer sitzen in einer Bar. Dabei wird von der Kamera in hektischen Schnitten der Prozess vom Bier ins Glas einfüllen eingefangen, die letzten Aufnahmen zeigt aber sprudelndes Wasser, was mit verächtlichen Blicken quittiert wird. Das Ganze erfolgt mit schnellen Schnittwechseln und dient sowohl als Voranbringen der Handlung als auch visueller Humor. "Zeitraffer" nennt sich diese Methode und wird von Regisseur Edgar Wright besonders gern eingesetzt. Damit erzählt er Alltagssituationen wie die Reise im öffentlichen Verkehr in besonderer Form und grenzt sich von anderen Filmemachern ab.

Die Karriere begann bereits früh. Geboren in Poole, einer Küstenstadt im Süden Englands, wuchs er in Somerset auf. Früh bekam er von den Eltern eine Super-8-Kamera geschenkt, mit denen fleißig Aufnahmen entstanden. Von 1992-1994 absolvierte er das Bournemouth and Poole College of Art und erhielt das nationale Diplom im Bereich "Audio-Visual-Design".

1995 folgte das Debüt "A Fistful of Fingers", welches ihm die Aufmerksamkeit der Komiker Matt Lucas und David Williams, den Köpfen hinter "Little Britain", einbrachte. Für deren Sendung "Mash and Peas" führte er 1996 Regie. Gleichzeitig arbeitete er auch mit Simon Pegg an einer Serie. Dieser entwickelte mit ihm und Jessica Stevenson die Serie "Spaced", welche 1999 im TV lief. Die Sitcom lief zwar nur zwei Staffeln lang, erhielt aber gute Kritiken und machte den Weg frei zur großen Karriere. Außerdem führte sie zur fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Pegg, Nick Frost und Wright.

Obwohl seine Filmografie erst sechs Spielfilme umfasst, hat es Wright geschafft, sich einen eigenen Namen im Geschäft zu machen. Ähnlich wie bei renommierten Regisseuren wie Quentin Tarantino, David Lynch oder Takeshi Kitano erhält jeder Film von ihm den eigenen Stempel aufgedrückt.

Das Special widmet sich - mit Ausnahme des Debüts - seinen sechs bisherigen Werken (inklusive möglichen Spoilern). Mit begrenzten Mitteln und mangelnder Technik bereits in frühen Jahren gemacht, bezeichnet Wright den Erstling als eine "Enttäuschung". Eine Haltung, welche man beim Betrachten durchaus nachvollziehen kann.
Jeder Film ist übrigens in einem anderem Genre angesetzt, was zusätzliche Abwechslung in die Vita bringt.

Cornetto-Trilogie: "Shaun of the Dead" (2004), "Hot Fuzz" (2007), "The World's End" (2013)

Freunde, Filmverweise und Bier: Elemente der 'Cornetto-Trilogie' (2004, 2007, 2013). Quelle: Universal Freunde, Filmverweise und Bier: Elemente der "Cornetto-Trilogie" (2004, 2007, 2013). In "Shaun of the Dead" muss sich der Titelheld mit Beziehungsstress, dem Vater und seltsamen Gestalten herumschlagen.

Bei "Hot Fuzz" wird Spitzenpolizist Angel aufgrund seiner neidischen Kollegen in ein beschauliches Dörfchen strafversetzt. Doch mit seiner Ankunft verändert sich das ruhige Leben plötzlich und eine Serie bestialischer Morde bedürfen der Aufklärung. Zusammen mit seinem ungleichen neuen Partner Danny macht sich Angel an die Arbeit.

Gary King möchte unbedingt einen Pub-Crawl (pro Kneipe ein Bier) aus der Jugend fortsetzen. Das Ziel: 12 Bier, 12 Pubs. Seine einstigen Kollegen sind jedoch mittlerweile mitten im Leben angekommen. Doch mit hinterlistigen Tricks kommt die alte Truppe nochmal zusammen und macht sich auf, bis zum letzten Pub, dem "The World's End" zu trinken. Doch die Sause wird von Außerirdischen vermiest.


Der Name für die Trilogie hat Wright übrigens aus einem Witz während den Arbeiten an "The World's End" übernommen. Als ein Journalist ihn auf den Gebrauch von Eiscreme in den vorherigen Filmen anspricht, antwortet dieser scherzhaft, dass es sich hierbei um die "Cornetto-Trilogie" handle. Ihre Inhalte und Schauplätze unterscheiden sich jedoch wesentlich. Die Filme weisen dafür aber einige wiederkehrende Elemente und Schauspieler (Beispiele: Martin Freeman, Bill Nighy) auf.

Apropos Witze: Nebst den vielen kleinen Stilelementen macht der eigenwillige britische Humor (der gerne mal blutig wird) einen großen Teil des Charmes aus. Dabei kommt dieser oft trocken daher. Dafür braucht es fähige Mimen, damit die Witze funktionieren. Wie gut, dass seine engen Kollegen Pegg und Frost Spezialisten darin sind. Wer für schwarzen Humor kein Faible hat und mit überspitzten Gewaltausbrüchen nichts anfangen kann, wird eher keinen Gefallen an der Trilogie finden.

"Scott Pilgrim" (2010): Eine etwas anderer Liebesfilm

'Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt' (2010) ist eine spezielle Romanze. Quelle: Universal "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" (2010) ist eine spezielle Romanze. Titelheld Scott spielt Musik in einer Band, lebt im verschneiten und langweiligen Montreal und lernt auf einer Party die faszinierende Ramona Flowers kennen. Um sie für sich zu gewinnen, muss er allerdings gegen ihre sieben Ex-Freunde kämpfen. Dabei entwickelt er ungeahnte Kräfte.

Mit "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" nimmt sich Wright der gleichnamigen Graphic-Novel-Reihe von Bryan Lee O'Malley an und verwandelt sie in eine durchgeknallte Romanze, angereichert mit einer Menge an irrwitzigen visuellen Spielereien und Referenzen an Videospielen und sonstiger Populärkultur. Dabei passt der wenig wandelbare Michael Cera ("Juno") perfekt in die Hauptrolle. Auch der Rest der Besetzung passt. Alleine schon die Riege der Nebendarsteller ist beeindruckend: Brie Larson ("Kong: Skull Island"), Anna Kendrick ("Pitch Perfect"), Aubrey Plaza ("Parks and Recreation"), Chris Evans ("Captain America") und einige mehr sind hier vor dem Durchbruch zu sehen.

Bereits der Vorspann ist laut und farbenfroh, was auch auf den Rest des Films zutrifft. Eigentlich als Liebesfilm angelegt, gelingt Wright doch das Kunststück, dies mit einer gehörigen Portion Action und Kreativität zu vermischen.
Wer allerdings nicht viel mit Anspielungen und dem extravaganten Bildstil anfangen kann, sollte hierbei einen Bogen machen.

"Ant-Man" (2004 - 2014): Differenzen mit dem Studio

Musste letztendlich ohne den Anweisungen von Wright in den Anzug schlüpfen: Paul Rudd als 'Ant-Man' (2015). Quelle: Disney Musste letztendlich ohne den Anweisungen von Wright in den Anzug schlüpfen: Paul Rudd als "Ant-Man" (2015).
Über zehn Jahre lang arbeitete Wright an der Comicverfilmung zu "Ant-Man". Wright soll das Projekt erstmals 2004 mit den Verantwortlichen von Marvel besprochen haben. An der San Diego Comic-Con 2006 gab es dann die Bestätigung, dass er Regie führen und das Drehbuch schreiben wird. Bevor die Protagonisten Scott Lang und Henry Pym aber auf Verbrecherjagd gingen, drehte Wright vier Filme und werkelte zusammen mit Regisseur Joe Cornish ("Attack the Block") am "Ant-Man"-Drehbuch. Im Juli 2012 wurde dann auf der Comic-Con in San Diego die ersten offiziellen Aufnahmen gezeigt, welche begeistert aufgenommen wurden.


Es schien also alles gut zu verlaufen. Das Startdatum wurde auf den 6. November 2015 gesetzt und sollte nach "Avengers: Age of Ultron" die dritte Phase des Marvel Cinematic-Universe einläuten. Später wurde das Datum auf den 21 Juli vorgeschoben. Die Produktion beginnt, die Besetzung steht und der Dreh startet. Doch dann wurde im Mai 2014 bestätigt, dass Wright den Film verlassen hat. Der Grund dafür seien "kreative Differenzen" gewesen. Bis heute haben sich die Beteiligten nicht wirklich dazu geäußert. "Ant-Man" erschien unter der Regie von Peyton Reed ("Der Ja-Sager") am 23. Juli 2015. Wright und Cornish sind als Drehbuchautoren im Abspann genannt.

Über die wahren Umstände haben sich die Beteiligten bis heute ausgeschwiegen. Wenn man sich das Endprodukt anschaut, erkennt man dennoch ein klein wenig die Spuren von dem, was ursprünglich hätte sein können. Die Chronik der Ereignisse gibt es bei Digitalspy zum Nachlesen.

"Baby Driver" (2017): Ein Musical mit Höchstgeschwindigkeit

Die Gang aus 'Baby Driver' (2017) bei einem Auftrag. Quelle: Sony Die Gang aus "Baby Driver" (2017) bei einem Auftrag. Der Fluchtwagenfahrer wird von allen nur "Baby" genannt. Aufgrund eines Tinnitus funktioniert er nur in Verbindung mit seiner musikalischen Playlist. Als er eines Tages Debora kennen lernt, plant er den Rückzug aus dem Geschäft. Doch zuerst ist noch der letzte Auftrag fällig.

Verfolgungsjagden, welche im Takt und Rhythmus der Musik verschmelzen und zur Symbiose werden. Das Konzept dafür ist auf der Leinwand ein Novum, dabei hatte Wright diese Idee bereits früher verwirklicht. Im Musikvideo zu "Blue Song" der mittlerweile aufgelösten englischen Gruppe Mint Royale spielt Noel Fielding (bekannt aus diversen Sitcoms und Fernsehsendungen) einen Fluchtwagenfahrer. Um die Wartezeit auf die Rückkehr seiner drei Mitfahrer zu überbrücken, spielt er das oben erwähnte Lied ab. Dabei fokussiert sich die Kamera fast durchgängig auf das Auto und Fielding, der zum Takt der Musik mit dem gesamten Interieur interagiert. Klingt auf dem Papier simpel, das Endresultat ist jedoch eine technische Spitzenleistung.

Einige Elemente sind nun auch im amerikanischen Debüt "Baby Driver" vorhanden und weiter entwickelt worden. Außerdem bekommt der Clip auch noch ein kleines Cameo spendiert. Neben den bereits aufgezählten Merkmalen des Regisseurs gibt es nun auch erstmals eine tolle Plansequenz (Szene ohne sichtbaren Schnitt, welche in einer Aufnahme abläuft und aufgenommen wurde) im Musical-Stil. Auch wenn die Charaktere ungewöhnlich wenig ausgeschildert sind und die Handlung im Grunde genommen auch nicht viel Sinn ergibt, lohnt sich der Kinobesuch alleine schon aufgrund der Inszenierung. Der flotte Soundtrack und die exzellenten Schauspieler ergeben das Sahnehäubchen auf der Torte.

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What's next, Mr. Wright?

Als Erstes steht natürlich die Veröffentlichung von "Baby Driver" in der restlichen Welt an. Dabei gibt es die obligatorischen Pressetermine und Werbeauftritte zu absolvieren. Ein konkretes nächstes Projekt gibt es hingegen noch nicht. Allerdings gibt es Gerüchte zu einer Buchverfilmung, einem Ausflug ins Science-Fiction-Genre und einem Animationsfilm (dessen Lage aber aufgrund des Führungswechsel beim zugehörigen Studio Dreamworks als ungewiss beschrieben wird). Auch eine erneute Kollaboration mit Pegg und Frost ist nicht ausgeschlossen.
Laut einem Interview mit CNET soll die Frage nach zukünftigen Projekten in der Weihnachtszeit aufgeklärt werden. Bis dahin gibt es für Fans und Interessierte genügend Stoff zur Überbrückung der Wartezeit.

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    • Kommentare (1)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Tolles Special. Vor allem "Scott Pilgrim" ist ein Geniestreich. Wüsste man nicht dass es auf eine Grafik-Novelle basiert, man könnte meinen er hätte die perfekte Adaption eines (gar nicht vorhabdenen) Videospiels realisiert.

        Gesendet von meinem 6070K mit Tapatalk
      • Von sauerlandboy79 Spiele-Guru
        Tolles Special. Vor allem "Scott Pilgrim" ist ein Geniestreich. Wüsste man nicht dass es auf eine Grafik-Novelle basiert, man könnte meinen er hätte die perfekte Adaption eines (gar nicht vorhabdenen) Videospiels realisiert.

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